Berlin. Bundeswehr leidet unter früheren Sparbeschlüssen und der Umstellung auf Berufsarmee

Für seinen Nachfolger hat Hellmut Königshaus einen Rat parat: Er soll die Truppe unangemeldet besuchen. „Finde ich auch“, sagt Hans-Peter Bartels (SPD). Vor fünf Monaten wurde er gewählt, aber erst am Donnerstag im Bundestag vereidigt. Der zwölfte Wehrbeauftragte sprüht vor Tatendrang. Die Bundeswehr ist nicht nur eine Parlamentsarmee – selten auf der Welt. Dem Bundestag steht mit dem Wehrbeauftragten überdies auch eine einmalige Institution zur Seite. Er soll sich einen Innenblick von den Streitkräften machen und den Abgeordneten bei der Kontrolle helfen. Wie man vorgeht, zeigt das Beispiel G36.

Die ersten Hinweise, dass mit dem Gewehr etwas nicht stimme, wurde Königshaus 2011 von einem Soldaten zugetragen. Im März 2012 bat der Wehrbeauftragte um ein Gespräch mit dem Verteidigungsminister. Gleich am nächsten Morgen besuchte er die Wehrtechnische Dienststelle 91, die das Gewehr testete. Selbstredend erschien Königshaus unangemeldet.

Immer wieder machte er auf das G36 aufmerksam. Jedes Mal blockte das Ministerium ab. Königshaus hat auch die Ausrüstung bei Einsätzen bemängelt, und in vielen seiner Jahresberichte finden sich Klagen über marode Kasernen und die mangelnde Attraktivität des Soldatenberufs. „Ich werde da anknüpfen“, verspricht Bartels.

Wehrbeauftragte waren oft so: Streitbar, unabhängig. Ihre Amtszeit geht über fünf Jahre und reicht über eine Legislaturperiode hinaus. Auch das betont ihre Sonderstellung. Bartels wird es vermutlich leichter haben als sein FDP-Vorgänger, weil Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen neuen Stil pflegt: „Wir hatten die Tendenz, die Probleme schönzureden. Das findet heute nicht mehr statt.“ Der 54-Jährige will sich nicht damit zufrieden geben, nur der Anwalt der Soldaten zu sein und einen Kummerkasten anzubieten. Der SPD-Mann will auch „Anreger für Politik und Parlament“ sein und muss nach eigenen Worten „die Missstände nicht erst suchen“. Im Verteidigungsausschuss saß er 15 Jahre lang. Er weiß, wo es in der Truppe brodelt.

Die Wehrpflicht wurde „Hals über Kopf (Bartels) ausgesetzt. Nun fehlt es an Personal, insbesondere in der Marine. Zu den Übergangsproblemen der Freiwilligenarmee gehört ferner ein Beförderungsstau. Auch der Trend der Pendler-Armee stört den Wehrbeauftragten. Ein Beispiel ist die Fallschirmspringer-Ausbildung, die verlegt werden sollte. „Warum sollen alle umziehen“, fragte sich Bartels. Die Ministerin hatte ein Einsehen und stoppte den Plan ihres Vorgängers. Es gibt viele solcher Fälle.

Nächster Punkt: Die Kasernen. Immer noch sanierungsbedürftig. An Geld fehlt es nicht, das ist bewilligt. Das Tempo ist Bartels zu langsam. Allgemein fordert er für die Armee eine „Vollausstattung“. Unter Minister Thomas de Maizière (CDU) war beschlossen worden, dass die Truppe lediglich 70 Prozent der Soll-Ausstattung brauche. Das heißt: 70 Prozent der Schutzwesten, der Nachtsichtgeräte. Statt 328 nur 225 Panzer. Das modernste Material wurde in den Auslandseinsätzen eingesetzt. Den Grundbetrieb daheim fuhr man derweil auf Verschleiß. Nun sagt Bartels, die Soldaten brauchten nicht 70, sondern „tatsächlich 100 Prozent“ und die Bundeswehr folgerichtig „zusätzliches Geld“. Allein für das Heer schätzt Inspekteur Bruno Kasdorf den Investitionsstau bis 2025 auf etwa 20 Milliarden Euro, wie er der „Süddeutschen Zeitung“ sagte.

Auch Bartels hat vermutlich eine Zahl im Kopf. Nur ließ er sich die gestern nicht entlocken. Den Verteilungskampf sollen jetzt andere führen, allen voran die Ministerin und der Verteidigungsausschuss. Nur so viel: Die letzte Steuerschätzung zeige, „dass dies nicht zulasten anderer Ressorts gehen muss“. Der Finanzminister dürfte dazu eine dezidiert andere Meinung haben.

Minister Wolfgang Schäuble (CDU) führt ohnehin ein entwaffnendes Argument gegen Mehrforderungen ins Feld: Die Bundeswehr hat nicht immer ihren Investitionshaushalt ausgeschöpft. Zum Teil kann die Ministerin nichts dafür, vielmehr war die Industrie oft bei der Entwicklung und Lieferung in Verzug geraten. Der Modernisierungsbedarf ist erkannt, aber das Übergangsmanagement stimmt nicht. Der Wehrbeauftragte klingt am ersten Tag noch recht milde: „Es ist auch die Folge einer Modernisierung, die andere Nationen gern hätten.“