Damaskus/Palmyra. Terrormiliz „Islamischer Staat“ rückt auf Stätte des Weltkulturerbes in Syrien vor. Außenminister Steinmeier besucht Flüchtlingslager in Jordanien

Die antike Oasenstadt Palmyra im Zentrum Syriens ist schwer umkämpft. Bei erbitterten Gefechten zwischen Truppen des Machthabers Baschar al-Assad und der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) starben nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte vom Sonntag Dutzende Kämpfer beider Seiten. Am Nachmittag sei der IS von Regimetruppen wieder aus Palmyra zurückgedrängt worden. Dies sei vor allem dem Einsatz schwerer Artillerie zu verdanken gewesen.

Die IS-Milizen waren am Wochenende zunächst weiter auf das Zentrum von Palmyra vorgerückt, das von Assad-Truppen gehalten wird. Die Oasenstadt in der zentralsyrischen Wüste war eines der herausragenden Zentren im Altertum. Die Unesco erklärte die Ruinen der ehemaligen Handelsmetropole der legendären Königin Zenobia 1980 zum Weltkulturerbe. Durch ihre Lage an einer der wichtigsten Handelsrouten zwischen dem Römischen Reich, Persien, Indien und China gewann Palmyra in den ersten Jahrhunderten nach Christus stetig an Bedeutung. Nach ihrer Blütezeit wurde die Stadt im Jahr 272 von den Römern zerstört. Baal-Tempel, Triumphbogen und weitere imposante Ruinen im Tal der Gräber machen das vor dem syrischen Bürgerkrieg beliebte Touristenziel zu einem der bedeutendsten Komplexe antiker Bauten im Nahen Osten.

Nicht nur Kunsthistoriker sehen die Angriffe des IS mit großer Sorge. Berichten zufolge war die Stätte bereits 2012 und 2013 bei Kämpfen beschädigt worden. Im Nordirak hatten IS-Anhänger im Frühjahr schon einmalige Kulturstätten zerstört, darunter die Ruinen der Jahrtausende alte Stadt Nimrud und die Grabungsstätte Ninive. Im Museum von Mossul zertrümmerten sie wertvolle Statuen aus der assyrischen Zeit.

US-Eliteeinheiten töteten unterdessen nach Pentagon-Angaben einen ranghohen Anführer der Terrormiliz. Der Mann mit dem Kampfnamen Abu Sajjaf sei für die Öl-, Gas- und andere finanzielle Operationen des IS zuständig gewesen, teilte Verteidigungsminister Ashton Carter am Sonnabend mit. Nach Medienberichten war der Getötete ein Tunesier, der bereits 2003 in den Irak gezogen war, um sich dem damaligen sunnitischen Widerstand gegen die US-Besatzung anzuschließen. Abu Sajjafs Frau, Umm Sajjaf, wurde bei der Aktion in Gewahrsam genommen.

Nach Darstellung des Pentagons habe Abu Sajjaf bei der nächtlichen Operation in der östlichen Stadt Al-Amr Gegenwehr geleistet, als ihn das US-Kommando gefangen nehmen wollte. Dabei sei er getötet worden. Bei der Aktion wurde außerdem eine junge jesidische Frau befreit, die im Haushalt von Abu Sajjaf offensichtlich als Sklavin gehalten wurde. Dem Pentagonchef zufolge wurde die Operation von US-Präsident Barack Obama angeordnet. Sie wurde mit Kenntnis und Billigung der irakischen Regierung vom Irak aus gestartet. Damit sei ein weiterer „bedeutender Schlag“ gegen die Terrormiliz gelungen. Der IS kontrolliert weite Gebiete im Nordosten Syriens, darunter die Ölfelder von Rakka, und im Norden des Iraks.

Die türkische Luftwaffe schoss am Sonnabend nach Angaben des Verteidigungsministers Ismet Yilmaz einen syrischen Hubschrauber ab. Yilmaz sagte, der Helikopter sei gut elf Kilometer tief in den türkischen Luftraum eingedrungen. Das syrische Staatsfernsehen meldete, es habe sich um eine ferngesteuerte Drohne gehandelt, also um ein Fluggerät ohne Besatzung an Bord. In den vergangenen Jahren hatte die Türkei bereits einen syrischen Kampfjet und einen Hubschrauber abgeschossen, die ihrer Ansicht nach in den türkischen Luftraum eingedrungen waren.

Der Bürgerkrieg in Syrien verschärft auch immer weiter das Flüchtlingselend in der Region. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verschafft sich derzeit ein eigenes Bild von der Lage vor Ort. Blechcontainer so weit das Auge reicht. 15 Quadratmeter Wohnraum für fünfköpfige Familien. Zwei Krankenhäuser, drei Schulen, sieben Sport- und Spielplätze für 83.000 Flüchtlinge. Ein US-Dollar pro Tag und Kopf für Brot, Wasser und was man sonst noch zum Überleben braucht. So sehen die Bedingungen im Flüchtlingslager Saatari in Jordanien unweit der syrischen Grenze aus. Es ist eines der größten Flüchtlingslager der Welt.

EU berät heute über Maßnahmengegen Schleuserbanden im Mittelmeer

„Diese Debatte, wie sie in Deutschland geführt wird, geht an der Sache vorbei“, sagte Steinmeier unter dem Eindruck Saataris zur Flüchtlingsdebatte zuhause. Er meinte damit die Diskussion über einen EU-Militäreinsatz gegen Schleuserbanden im Mittelmeer und an dessen Küsten, mit denen Schleppern vor allem in Libyen das Handwerk gelegt werden soll. Heute muss Steinmeier mit den anderen EU-Außenministern und den Verteidigungsministern der Union darüber verhandeln. In den Libanon sind nach Regierungsangaben 1,5 Millionen Syrer geflohen, nach Jordanien 1,4 Millionen – mehr als beide Länder alleine verkraften können.

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