Bremen. Die SPD bleibt im kleinsten Bundesland stärkste Partei, doch büßt sie deutlich Stimmen ein. Bürgermeister Böhrnsen will regieren – nur mit wem?

Es war einer dieser Wahlabende, an denen die Sieger, die Anhänger, Mitglieder und Spitzenkräfte der Partei mit den meisten Stimmen, zugleich die großen Verlierer sind. So ging es am Sonntagabend der Bremer SPD und ihrem Bürgermeister Jens Böhrnsen: mit großem Abstand die stärkste Partei in der neuen Bremischen Bürgerschaft, aber zugleich ein heftiger Absturz in der Wählergunst auf das schlechteste Ergebnis in der schon 70 Jahre währenden Geschichte der SPD als Regierungspartei in der Hansestadt an der Weser.

Ein von dem schwachen Ergebnis sichtlich mitgenommener Böhrnsen versuchte denn auch gar nicht, irgendetwas schönzureden. Die starken Stimmenverluste seien „in dieser Höhe überraschend“, sagte der Regierungschef. „Es gab schönere Wahlabende, das ist ein bitterer für die Bremer SPD.“ Angesichts der sozialen Spaltung in der Stadt und des Streitthemas Bildung sei „dieses Wahlergebnis eine Herausforderung“. Vor enttäuschten Anhängern bei der SPD-Wahlparty bekräftigte Böhrnsen, die Partei werde „weder den Kopf in den Sand stecken, noch werden wir uns in die Schmollecke bewegen“. Und aus dem klaren Vorsprung gegenüber der CDU ergebe sich ein neuer Regierungsauftrag für die Sozialdemokraten.

Mit wem die SPD an der Weser eine hinreichend große Regierungskoalition bilden kann, blieb bis zum späten Abend offen. Um eine dritte Neuauflage einer rot-grünen Koalition – der von ihm erklärten Lieblingsvariante – musste Böhrnsen bis zum späten Abend zittern. Die Grünen, die bei der Wahl vor vier Jahren zur zweitstärksten politischen Kraft noch vor der CDU aufstiegen, wurden von den Wählern noch härter bestraft. Er wolle auf jeden Fall Regierungschef bleiben und die rot-grüne Koalition fortsetzen, wenn dies möglich sei, sagte Böhrnsen. „Ich pflege zu halten, was ich vor der Wahl gesagt habe.“ Allerdings vermied er eine klare Aussage, ob dies auch für eine Mehrheit von nur einer Stimme gelten würde. Ein rot-rot-grünes Bündnis schloss Böhrnsen auf jeden Fall aus. Auf die Frage, ob auch eine Große Koalition mit der wiedererstarkten CDU denkbar wäre, sagte er: „Wir werden schauen müssen, welche Mehrheit sich ergibt.“

SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe beeilte sich zu versichern, dass Böhrnsen der unbestrittene Spitzenmann bleibe. „Es war nicht falsch, auf Jens Böhrnsen zu setzen. Eine Diskussion um den Spitzenkandidaten sehe ich in der SPD nicht“, sagte Tschöpe. Das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten führte er auf die Vorabumfragen zurück. Diese hätten den Wählern suggeriert, dass sich bei der Bürgerschaftswahl nichts ändere.

Unabhängig vom endgültigen Ergebnis sind der rot-grünen Koalition in jedem Fall die Flügel gestutzt. Mit bis zu sieben Parteien kommt deutlich mehr Farbe ins Parlament des kleinsten Bundeslandes. Böhrnsen, mit zehn Jahren der dienstälteste Ministerpräsident in Deutschland, stellt das Ergebnis vor eine viel schwierigere Aufgabe, als er gehofft hatte.

Zu denken geben muss den bisherigen Regierungsparteien vor allen der Verlust an Vertrauen in ihre Kompetenzen. Die Analysen zeigen in allen wichtigen Feldern wie Wirtschaft, Soziales oder Finanzen deutlich geringere Werte als vor vier Jahren. In fast allen Bereichen sind die Probleme des hoch verschuldeten Zwei-Städte-Landes in der abgelaufenen Legislaturperiode nicht kleiner geworden.

Und doch kann sich Böhrnsen eines zugutehalten: Die SPD hat den Wahlsieg nach Ansicht von Wahlforschern vor allem ihm zu verdanken. Denn seiner Partei insgesamt trauen die befragten Wähler bei den Kernthemen wenig zu, wie eine Analyse der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen vom Sonntagabend zeigt. Dass die SPD dennoch Wahlsiegerin ist, hat sie besonders der schwachen CDU zu verdanken, „die aufgrund inhaltlicher und vor allem personeller Defizite nicht als überzeugende Alternative zu Rot-Grün wahrgenommen wird“, erläuterten die Forscher. Sie interpretieren das Wahlergebnis als fast hauptsächlich durch die Bremer Politik geprägt und nicht von der Bundespolitik dominiert.

Böhrnsen sei abermals „zur geschätzten Integrations- und Identifikationsfigur avanciert“, erklärte die Forschungsgruppe. 65 Prozent aller Befragten in Bremen wollten Jens Böhrnsen und lediglich 18 Prozent die CDU-Herausforderin Elisabeth Motsch­mann an der Spitze des Bremer Senats. Für 70 Prozent mache Böhrnsen einen guten Job und nur für 21 Prozent einen schlechten.

Negativ schneiden SPD und Grüne allerdings ab, wenn es um die Bewertung der Kompetenzen geht. Bei dem für die Wähler wichtigsten Thema – Bildung und Schule – macht aus Sicht von 27 Prozent der Befragten die SPD die beste Politik, den Grünen wird laut Befragung mit elf Prozent weniger zugetraut. Die CDU kommt auf 23 Prozent. Bei der Finanzkompetenz rutscht die SPD hinter die CDU.