Brüssel. Premier Cameron will die EU reformieren. Aber die anderen Ländern möchten keine weiteren Extrawürste servieren

David Camerons Standard-Slogan im Wahlkampf war die Bitte um weitere fünf Jahre „to finish the job“ – um die Arbeit zu Ende zu bringen. Aus europäischer Sicht klingt das wie eine Drohung. „Der Job“ des konservativen Premiers ist in Sachen EU ein unseliges Unternehmen, das seinem Land wie den Partnern auf dem Festland zum Schaden gereicht. Es trägt den Namen Brexit – Abgang des Königreichs aus der Europäischen Union. Mit dem krachenden Sieg der Tories ist das Unglück näher gerückt. Unausweichlich ist es indes nicht

Cameron hat seinen Landsleuten versprochen, sie bis 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen zu lassen. Sein geschlagener Labour-Konkurrent Miliband wollte sich die riskante Entscheidung an der Urne ersparen. Nun führt kein Weg mehr daran vorbei. Vorher will Cameron den 27 Partnerländern eine Reform der EU an Haupt und Gliedern abnötigen. Sie soll dann so aussehen, dass der Premier die Fortsetzung der Mitgliedschaft empfehlen kann. So weit die schöne Theorie.

Sie geht doppelt an der Wirklichkeit vorbei. Zum einen ist die Bereitschaft der anderen weitgehend erschöpft, die Union umzukrempeln oder dem Vereinigten Königreich weitere Extrawürste zu servieren. Schon jetzt sind die Briten bei zahlreichen Gemeinschaftsveranstaltungen abseits, darunter Schlüsselprojekte wie die Währungsunion oder der Schengenraum. Eigentlich sei die Beziehung zwischen London und der EU eher „privilegierte Partnerschaft“ als volle Mitgliedschaft, meint der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.

Auf der anderen Seite ist die von Großbritannien verlangte Ausrichtung auf mehr Markt, Freihandel, Wettbewerb, auf Entbürokratisierung und Effizienz längst im Gang. Der Spielraum für weiteres Entgegenkommen ist begrenzt. Das europäische Bürgerrecht auf Freizügigkeit steht ebenso wenig zur Disposition wie das gemeinschaftliche Bekenntnis zur „immer engeren Union“ der europäischen Völker. Unter diesen Umständen wird Cameron bei seinem Referendum nichts zu bieten haben, was aus einem hartgesottenen Euro-Muffel einen Fan macht.

Da steckt der entscheidende Fehler von Camerons angeblich pro-europäischer Politik. Sie stellt ihre Widersacher nicht, sondern läuft ihnen hinterher, ohne sie jemals zu erreichen. Dass der Anführer eines solchen vergurkten National-Populismus nun weitere Jahre die Europapolitik seines Landes bestimmt, lässt in Brüssel auch Konservative verzweifeln. Am Morgen nach der Wahl hob an, was bis auf weiteres die EU-Geschäfte begleiten wird: die Briten-Frage. Was können wir tun, um die Untertanen Ihrer Majestät bei der EU-Stange zu halten?

Antwort: Nicht viel. Klarheit und Geschlossenheit, freundliche Töne und feste Prinzipien sind auch in diesem Fall die Kardinaltugenden. Doch im wesentlichen müssen sich die Briten selber helfen. Dass sie das tun trotz Camerons europapolitischer Geisterfahrerei, könnten zwei Faktoren bewirken. Die Schotten sind eindeutiger als je zuvor nicht nur auf nationale Eigenständigkeit erpicht, sondern auch auf Zugehörigkeit zu Europa. Sie werden sich nicht im Schlepptau der Engländer und Waliser aus der EU zerren lassen. Der Erhalt des Vereinigten Königreichs aber mag manchem EU-Verächter wichtiger sein als die Abnabelung von Brüssel. Der zweite Faktor ist die vermutete Mehrheit der EU-Befürworter, die sich hinter dem Getöse der Euro-Skeptiker versteckt. Es ist immerhin nicht ausgeschlossen, dass diese Mehrheit in einem Referendum für klare Verhältnisse sorgt.