Berlin . SPD sieht in der NSA-Affäre die Verantwortung vor allem bei Bundeskanzlerin Merkel. Wird sich die Union in der Edathy-Affäre revanchieren?

Miguel Sanches

Die Opposition beantragt gern „Aktuelle Stunden“. So stellt man ein Thema im Bundestag auf Streit. Die NSA-Affäre, ein gefundenes Fressen, wird heute allerdings auf Initiative der Union aufgerufen. In ihren Reihen wird man aufmerksam beobachten, wie sich der Koalitionspartner, die SPD, verhalten wird: wie solidarisch.

Die Union ist alarmiert, weil die SPD offensiv agiert. Wie eine Opposition? Eine „hysterische Debatte“ macht Unions-Fraktionsmanager Michael Grosse-Brömer aus. Die Hysterie hat einen Namen: Yasmin Fahimi. Mehrfach schon hat die SPD-Generalsekretärin das Kanzleramt angegriffen und auch Konsequenzen gefordert. „Sehr unglücklich“, meint der Unions-Abgeordnete Tankred Schipanski. Die SPD scheine die „übliche professionelle Form der Zurückhaltung aufgegeben zu haben“, beklagt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU). Gerda Hasselfeldt, Chefin der CSU-Landesgruppe, führt die Nervosität auf die „schlechten Umfragewerte“ zurück. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Schnellschüsse.“

Nicht nur Fahimi, Parteichef Sigmar Gabriel selbst lenkt den Fokus auf das Kanzleramt. Es ist zuständig für die Geheimdienste und seit zehn Jahren in CDU-Hand. Hausherrin Angela Merkel äußert sich ungern zu den Vorwürfen gegen den Bundesnachrichtendienst; wenn, dann wie beiläufig, zuletzt am Rande von Staatsbesuchen.

Zweimal fragte Gabriel die Kanzlerin, einmal sogar im Koalitionsausschuss, ob Hinweise vorlägen, dass der BND im Auftrag der Amerikaner, der NSA, Wirtschaftsspionage betrieben habe. Zweimal antwortete Merkel mit Nein. Dass Gabriel es öffentlich machte, ist das Politikum. Merkel soll nicht abtauchen können, sie soll Farbe bekennen. Dass er ein riskantes Spiel betreibt, ist Gabriel bewusst. Die Affäre sei geeignet, „eine sehr schwere Erschütterung auszulösen“.

Die Neugier des Wirtschaftsministers ist verständlich. Die Unternehmen sind alarmiert. Beispiel VDMA, die Maschinenbauer. Verbandsexperte Steffen Zimmermann sagt, „es empört uns. Die Bundesregierung betont in Gesprächen mit der Wirtschaft stets, dass dem Schutz der deutschen Wirtschaft vor Spionage eine hohe Relevanz zukomme. Wir sind einigermaßen fassungslos, dass dieser Schutz offenbar erhebliche Lücken aufweist.“

Einigermaßen gesichert ist, dass die NSA für Abhöraktionen Begriffe wie „EADS“ und „Eurocopter“ wählte. Der BND will aber die letzte Kontrolle behalten und unkoschere Anfragen abgeblockt haben. Das ist der Grund, warum der Abgeordnete Schipanski, der im Untersuchungsausschuss sitzt und BND-Akten einsieht, die ganze Aufregung nicht verstehen kann. Unions-Fraktionschef Volker Kauder geht so weit zu behaupten, das Parlament habe nicht die Dienste zu überwachen, sondern vielmehr nur die Regierung bei ihrer Aufsicht. Es ist deswegen auch nicht so sicher, ob das Parlament Einsicht in Suchbegriffe erhält.

Es ist die Woche der Wahrheit, heute mit Berichten und Auftritten vor den Geheimdienstkontrolleuren und morgen mit Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss. Während die Kanzlerin die Affäre vertraulich aufklären lassen will, wünscht die SPD mehr Offenheit. Fraktionschef Thomas Oppermann macht es am Beispiel der Suchbegriffe deutlich. Sollte die NSA „sachfremde“ Aufträge erteilt haben, dann seien sie auch nicht schutzwürdig. Die Union deutet an, dass sie darob neue Saiten aufziehen könnte. So rief Grosse-Brömer in Erinnerung, dass die Zusammenarbeit mit der NSA schon Anfang des Jahrtausends anfing und auf eine Vereinbarung zurückgeht, die „die Handschrift von Frank-Walter Steinmeier trägt“. Der SPD-Mann war damals Kanzleramtschef, heute Außenminister. Die größte Schmerzzone der SPD dürfte die Edathy-Affäre sein. Zuerst hatte CDU-Vize Jens Spahn die Verbindung zwischen BND- und Edathy-Affäre hergestellt. Verärgert fragte er, „warum haben wir Oppermann vor einem Jahr so geschont?“ Gestern äußerten mehrere Unionspolitiker im Edathy-Untersuchungsausschuss den Verdacht, die SPD-Führung sei entgegen ihren Beteuerungen womöglich gar nicht zuerst vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über den Kinderporno-Verdacht gegen Sebastian Edathy informiert worden, sondern von Parteifreunden in Niedersachsen.

Friedrich musste wegen der Weitergabe vertraulicher Erkenntnisse zurücktreten

Als Quelle kommt vor allem Innenminister Boris Pistorius (SPD) infrage, der heute als Zeuge im Ausschuss geladen ist. Friedrich musste wegen der Weitergabe vertraulicher Erkenntnisse zurücktreten, nachdem Oppermann die Plauderei veröffentlicht hatte. „Wir müssen herausfinden, welche Informationen aus Niedersachsen flossen“, sagte CDU-Ausschuss-Obmann Armin Schuster.

Intern werden Unionsleute deutlicher: Mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ habe die SPD-Führung bereits aus Niedersachsen von dem Fall gewusst, aber Friedrich habe man „über die Klinge springen lassen“. Ein schwerer Vorwurf, Oppermann und Gabriel hätten dann öffentlich die Unwahrheit über den Affärenablauf gesagt und wären kaum im Amt zu halten. Am 18. Juni sollen Oppermann, Gabriel und Steinmeier als Zeugen aussagen. „Wenn wir die Fakten haben, werden wir uns unmissverständlich äußern“, sagt CDU-Mann Schuster drohend.