Berlin. Regierung plant einen Ausbau von Hospizen und Palliativmedizin. Vielen reicht das nicht

Der Tod kommt schnell auf der Pflegestation. Knapp 20 Prozent der Menschen, die in eine Einrichtung der stationären Altenhilfe verlegt werden, sterben im ersten Monat. Nach drei Monaten ist ein Drittel tot, nach einem Jahr fast die Hälfte. Kein Wunder: Auf Pflegestationen kommen diejenigen, die bereits sehr krank sind. Es sind viele. Studien gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich mehr als 300.000 Menschen in Pflegeheimen sterben. Das entspricht annähernd 40 Prozent aller deutschen Todesfälle.

Sterbenskranke Menschen in Deutschland sollen künftig besser versorgt und unterstützt werden. Dazu hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einen Gesetzentwurf zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland vorgelegt. Die Regierung von Union und SPD wolle die ambulante Palliativversorgung weiterentwickeln und die stationäre Hospizarbeit finanziell mehr fördern. Die Kassen sollen künftig bei Hospizen für Erwachsene 95 Prozent anstatt der bisherigen 90 Prozent der zuschussfähigen Kosten tragen. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass der Mindestzuschuss der Kassen zur stationären Palliativbehandlung von 198 auf 255 Euro pro Tag angehoben wird. Ambulant tätige Palliativmediziner sollen mehr Honorar bekommen.

Alten- und Pflegeheime sollen mit Ärzten und Hospizdiensten kooperieren und Pflegekräfte für die Sterbebegleitung geschult werden. Die Koalition gehe davon aus, dass mit 150 bis 200 Millionen Euro Mehrkosten im Jahr zu rechnen ist. Vor wenigen Tagen hatten sich die Bundestagsfraktionen auf einen Zeitplan geeinigt: Das Gesetz soll Mitte Juni in erster Lesung in den Bundestag kommen. Anfang Juli wird das Parlament voraussichtlich beraten, ob Sterbenskranke sich beim Suizid helfen lassen dürfen. Anfang November sollen dann beide Gesetze im Bundestag verabschiedet werden.

Während das Vorhaben von Minister Gröhe von Fachverbänden weitgehend begrüßt wird, kritisieren andere zum Teil heftig, dass sein Entwurf für Sterbende in Pflegeheimen viel zu wenig bringe. Nichts ändern werde sich daran, dass ein „Sterben zweiter Klasse“ in den rund 13.000 deutschen Pflegeheimen stattfindet, schreibt die Deutsche Stiftung Patientenschutz in ihrer Stellungnahme für die am Montag stattfindende Verbändeanhörung zum Entwurf. Auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) hält Gröhes Pläne für die Sterbebegleitung in Heimen für unzureichend: Die pflegerische Betreuung komme zu kurz.

Aufgegriffen wird diese Kritik von den Grünen, deren Bundestagsfraktion einen eigenen Antrag zur „Versorgung am Lebensende“ formuliert hat und darin fordert, dass Heime mehr Personal für die angemessene Betreuung der Sterbenden einsetzen und abrechnen können. „Eine gute Palliativ- und Hospizversorgung ist sehr personalintensiv“, sagte die Grünen-Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik, Elisabeth Scharfenberg. Doch in Gröhes Entwurf, so Scharfenberg weiter, „findet sich kein Ansatz, das gravierende Personalproblem anzupacken. Mehr Finanzmittel oder anderweitige Anreize für die stationären Pflegeeinrichtungen sind so gut wie nicht vorgesehen.“

Kritiker mahnen an, dass sich in dem Gesetzentwurf kein Hinweis darauf findet, wie dieser pflegerische Mehraufwand bezahlt werden soll. Dabei ist Pflege für solche Menschen besonders wichtig. Weil sie im hohen Alter eher selten an Krebs mit extremen Schmerzen erkranken, kommt es bei ihnen weniger auf die reine Schmerzbehandlung als vielmehr auf Fürsorge an. Neben der Linderung ihrer vielen altersbedingten Krankheitssymptome brauchen sie viel Beistand und Hilfe in ihrer Verwirrung, Verängstigung und Vereinsamung.

Doch diese Palliativpflege, die in Hospizen zur Grundversorgung gehört, bleibt Heimbewohnern meist vorenthalten. Denn einerseits vermögen Pflegeeinrichtungen diesen Mehraufwand für die Sterbephase nicht zu finanzieren, und andererseits ist es Heimbewohnern rechtlich verwehrt, zum Sterben ins Hospiz zu wechseln. Denn Heimpflege gilt als so umfassend, dass damit auch die Pflege am Lebensende abgedeckt sein soll.

Darin sieht die Stiftung Patientenschutz eine eklatante Ungleichbehandlung: „Während die Sozialkassen für einen Platz im Hospiz etwa 6500 Euro im Monat zur Verfügung stellen, liegt dieser Betrag für Pflegeheime bei maximal 1612 Euro in Pflegestufe III“, schreibt die Stiftung. Obwohl „die Bedürfnisse der schwerstkranken und sterbenden Menschen identisch“ seien, gebe es für sie im Hospiz somit monatlich knapp 5000 Euro mehr als im Pflegeheim. Daher fordert die Stiftung, dass für alle Heimbewohner mit entsprechendem Bedarf sämtliche Pflegeleistungen der Hospizversorgung auch in den Heimen erbracht und abgerechnet werden können.