Berlin/Moskau. Russland will Griechenland zum wichtigsten Gas-Transitland der EU machen. Tsipras verkneift sich Bitte nach Finanzhilfe

Martin Greive
Julia Smirnowa

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat bei seinem Russland-Besuch Wladimir Putin nicht um finanzielle Unterstützung gebeten. Tsipras betonte, er sei nicht nach Moskau gekommen, um eine Lösung für die Schuldenkrise in seinem Land zu erwarten. „Das ist ein europäisches Problem, das eine europäische Lösung braucht.“

Allerdings vereinbarten beide Länder eine engere Partnerschaft. Der Kremlchef stellte dem schuldengeplagten Griechenland Kredite für große Infrastrukturprojekte in Aussicht. Beide Politiker betonten das Interesse, Griechenland durch den Bau der Gaspipeline durch die Türkei und die Weiterführung der Pipeline durch Griechenland zu einem „Gasknotenpunkt“ im südlichen Europa zu machen. Putin deutete zudem eine Zusammenarbeit bei Eisenbahnprojekten und der Landwirtschaft an.

Im Rahmen eines neuen „Freundschaftsjahres“ sind 2016 kulturelle Austausche und Projekte zwischen beiden Ländern vorgesehen. Putin hatte Tsipras zuvor auch eine Lockerung des Importstopps von Lebensmitteln aus dem Westen angeboten, das eine Reaktion auf internationale Sanktionen gegen Moskau wegen der Ukraine-Krise war. Griechenland ist von dem Embargo hart betroffen. In der EU hatte die Reise von Tsipras große Sorgen ausgelöst, Griechenland könne aus der europäischen Sanktionspolitik gegen Russland ausscheren, um in Moskau wirtschaftliche Vorteile für das eigene Land zu erreichen. Führende EU-Vertreter hatten die Reise daher stark kritisiert. Wegen der Ukraine-Krise sind die Beziehungen zwischen Russland und der EU angespannt. Auch aus Deutschland hatte es Kritik gegeben. „Wenn Tsipras meint, mit Moskaus Hilfe seine Probleme lösen zu können, dann irrt er sich. Europa wird sich von Tsipras nicht erpressen lassen“, sagte CDU-Bundestags-Fraktionsvize Michael Fuchs.

Noch deutlichere Worte kamen vom ukrainischen Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius. „Es ist enttäuschend zu sehen, dass einige Nationen in Europa kurzzeitige ökonomische Vorteile über das Leben von Menschen heben“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Die scharfe Kritik an der Tsipras-Reise hatte zur Empörung in Russland geführt. Putin wies Befürchtungen zurück, Russland wolle mit guten Beziehungen zu Griechenland die EU spalten. Russland habe nicht vor, ein einzelnes Mitglied auszunutzen. Auch Tsipras wies die Kritik zurück. „Manche sollten aufhören, jede unserer Bewegungen in einer Art zu kommentieren, als wäre Griechenland eine Schuldenkolonie.“ EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte, Tsipras sei nicht von der gemeinsamen EU-Linie gegenüber Moskau abgewichen.

Moskau möchte mit dem Tsipras-Besuch der Weltöffentlichkeit zeigen, dass es nicht isoliert ist und dass die EU im Ukraine-Konflikt nicht mit einer Stimme sprechen könne. Putin sucht nach Verbündeten, die seine Interessen in der EU vertreten können. Griechenland würde für diese Rolle sehr gut passen. Ein südeuropäisches Land, das gegen Brüssel rebelliert – das wäre ein politischer Erfolg für Putin.

Bereits im Vorfeld hatte Tsipras westliche Sanktionen gegen Russland kritisiert. In einem Interview mit der staatlichen russischen Agentur Tass nannte er sie „einen Weg in die Sackgasse“. Die vorherigen Regierungen in Griechenland hätten nichts getan, um die „sinnlose Sanktionspolitik“ zu vermeiden. Das russische Importverbot von Landwirtschaftsprodukten aus der EU, das auf die Sanktionen folgte, habe der griechischen Wirtschaft „erheblichen Schaden“ hinzugefügt.

Allerdings bleiben Tsipras Einwände gegen Sanktionen bis jetzt bei Worten, die gerne in Russland gehört werden. Zwar hat der griechische Premier kurz nach seinem Amtsantritt kritisiert, man habe Griechenland nicht nach seiner Position zu der Verlängerung von Sanktionen gefragt. Doch dann trug Athen sie mit. Verglichen mit den griechischen Finanzproblemen ist die Russlandpolitik wohl doch ein zu unwichtiger Punkt, um sich deswegen ernsthaft mit Brüssel zu streiten.

Eine politisch so sensible Frage wie Kredite Moskaus für Athen kann von Putin auch im Alleingang beschlossen werden. Russland ist zwar wirtschaftlich angeschlagen, doch wenn es darum geht, Verbündete in der EU zu gewinnen, wäre ein Darlehen von mehreren Milliarden Euro problemlos möglich. Russlands Währungsreserven betragen derzeit noch gut 300 Milliarden Euro.

Schon Ungarn hat von Moskau einen Kredit über zehn Milliarden Euro für den Bau eines Atomkraftwerkes durch das russische Staatsunternehmen Rosatom bekommen. Auch für Zypern verlängerte Russland vor Kurzem den Kredit von 2,5 Milliarden Euro. Wenn es allerdings zu Finanzhilfen Griechenlands kommt, würde Moskau Gegenleistungen verlangen.

Griechenland verhandelt derzeit mit den internationalen Gläubigern über neue Reformzusagen. Erst wenn diese vorliegen, wollen die Institutionen weitere Gelder für das pleitebedrohte Land freigeben. Aus Kreisen der Bundesregierung hieß es, es gebe keinen neuen Verhandlungsstand. Auch eine Telefonkonferenz einer Arbeitsgruppe der Euro-Gruppe am Mittwoch brachte keine neuen Erkenntnisse.