Berlin. Tritt der Präsident des Europaparlaments 2017 gegen Merkel an? Die Unruhe in der Partei wächst

Bisher waren sich führende Genossen eigentlich sicher: „Diesmal muss Sigmar ran.“ Einmal schon konnte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit Peer Steinbrück einen anderen dafür gewinnen, in das aussichtslose Rennen gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu gehen. „Ein Fehler“, wie Steinbrück heute einräumt. Gabriel sagt selbst, ein SPD-Chef müsse auch bereit sein für eine Kanzlerkandidatur. Daher scheint ausgemacht, dass er als amtierender Vizekanzler 2017 antreten muss. Doch nun bringt die „Bild“-Zeitung einen neuen Namen ins Spiel.

Von „vertraulichen Runden“ ist die Rede. „Ein Name fällt dabei immer wieder: Martin Schulz, derzeit (und noch bis Anfang 2017) Präsident des Europaparlaments“, schreibt der Leitende Redakteur Rolf Kleine, gut vernetzt in der SPD und Steinbrücks Pressesprecher im Wahlkampf 2013. Denn wenn Gabriel selbst antrete und auch nur 25 oder 26 Prozent hole, werde er den Vorsitz verlieren, so wird ein Mitglied der engsten SPD-Führung zitiert. Also müsse ein Ersatzkandidat her.

Sein Umfeld und führende Sozialdemokraten meinen, da sei nichts dran. Von „blühendem Unsinn“ ist die Rede mit Blick darauf, dass es schon irgendwelche Verabredungen geben könne. Im Willy-Brandt-Haus geht man lieber dem Tagesgeschäft nach.

Schulz war Spitzenkandidat im Europawahlkampf, der gelernte Buchhändler aus Würselen bei Aachen erreichte 27,3 Prozent. Immerhin plus 6,5 Punkte im Vergleich zu 2009. Trotzdem verlor er die europaweite Wahl gegen Jean-Claude Juncker, der nun Kommissionschef ist. International ist Schulz bestens vernetzt. Aber ein Wahlkampf gegen eine möglicherweise noch einmal antretende Merkel?

Zumindest strahlt er im Gegensatz zu manchen anderen SPD-Politikern Zuversicht und Überzeugungskraft aus. Seinen Europawahlkampf leitete Matthias Machnig, inzwischen Staatssekretär bei Gabriel im Wirtschaftsministerium, immer wieder heiß gehandelt als Manager auch des Bundestagswahlkampfes 2017. Der Stratege zehrt bis heute von seiner erfolgreichen Kampagne 1998 für Gerhard Schröder, die im rot-grünen Wahlsieg mündete. Damals gab es aber Wechselstimmung, ein Slogan der SPD lautete: „Kohl muss weg“. Ein solcher Trend ist bisher mitnichten zu erkennen.

Und da schließt sich der Kreis zur Schulz-Spekulation. Andere „Ersatzkandidaten“ scheiden derzeit wohl aus: Etwa Außenminister Frank-Walter Steinmeier, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz. Gabriel steckt in einem strategischen Dilemma. Tritt er 2017 an und scheitert, ist der seit Willy Brandt am längsten amtierende SPD-Chef wohl Geschichte. Aber einige Genossen meinen zugleich, dass er nicht wieder einen Anderen ins Rennen schicken könne – das würde nach Weglaufen vor Verantwortung aussehen. Wie Wahlkämpfer bei einer fehlenden Machtperspektive motiviert werden sollen, ist eine ganz andere Frage. Eine Troika aus drei möglichen Kandidaten wird es dieses Mal kaum geben, schon gar keine Männer-Troika. Ein Höhepunkt der Inszenierung Gabriels, Steinbrücks und Steinmeiers als Seit' an Seit' schreitendes Dreigestirn war 2013 eine gemeinsame Lesung der „Bremer Stadtmusikanten“. Gabriel war der Hund. Zur Moral der Geschichte sagte er einen Satz, der auf ihn und die SPD auch im Jahre 2017 passen könnte: „Totgesagte leben länger.“