Berlin. Streit mit Seehofer – CSU-Vizechef legt sein Amt und das Bundestagsmandat nieder

CSU-Chef Horst Seehofer platzte der Kragen. „Ihr oder ich!“, rief er im Parteivorstand aus. Drei Wochen ist die Sitzung her. Damals wurde der Satz des Vorsitzenden als klare Rückzugsaufforderung an seine Stellvertreter Peter Ramsauer und Peter Gauweiler verstanden. Seit gestern ist klar, wer geht: Gauweiler trat zurück, verlässt den Bundestag.

Es ist der Höhepunkt eines Streits um die Euro-Krise, aber auch um Loyalität in der Politik. Der Parteichef war so erregt, weil seine Stellvertreter bei der Abstimmung im Bundestag gegen die Verlängerung eines EU-Pakets für Griechenland votiert hatten – und damit gegen die Parteilinie und gegen Seehofers ausdrückliche Bitte.

Beim Nachspiel im Vorstand fehlte Ramsauer. Gauweiler stellte sich, für ihn kam die Kritik aber arg unvermittelt. Zum einen ist seine Euro-Skepsis allseits bekannt, bis hin zum Karlsruher Verfassungsgericht. Dort trat er als Kläger gegen die Gemeinschaftswährung auf. Zum anderen wurde er lange als Querkopf toleriert, auch weil er einen Teil des Publikums bediente, den die CSU sonst nicht erreicht hätte. „Mei, Sie kennen halt unsern Peter“, hieß es dann in der bayrischen Partei.

In der Vorstandssitzung ließ der Anwalt Gauweiler den Parteichef Seehofer mit Ironie auflaufen. Eine Partei müsse Gegensätze aushalten, „man nennt das Demokratie“. Auch machte er klar, dass er seine Position nicht räumen werde. Gauweiler: „Das kommt überhaupt nicht in die Tüte.“

Gauweilers Aufstieg in die CSU-Spitze war 2013 vom Parteichef noch gewollt und gefördert worden. Die Europawahl stand vor der Tür. Es galt, die Alternative für Deutschland (AfD) kleinzuhalten. Der Euro-Rebell Gauweiler kam da wie gerufen. Umso größer war die Ernüchterung, als am Wahlabend die AfD in Bayern auf Anhieb 8,1 Prozent errang, die CSU aber nur 40,5 Prozent – ein klares Warnsignal für die im Freistaat erfolgsverwöhnte Partei. Seehofer hatte die Stimmung falsch eingeschätzt. Seine Wahlkampf-Strategie stand in der Kritik, und für Gauweiler musste er sich fortan rechtfertigen. Bei jeder Euro-Debatte erwies dieser sich als Bumerang für die CSU. Das Peter-Prinzip war ausgereizt, jedenfalls in der CSU-Version, wonach jeder so hoch aufsteigt, wie er Seehofer nützlich ist.

Nach der EU-Wahl im Mai 2014 machten viele in der CSU ihrem Unmut über Gauweiler Luft. „Es muss Schluss sein mit dem Genörgel“, forderte etwa der neue EVP-Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber. Gauweiler isolierte sich aber auch, indem er etwa die Auslandseinsätze der Bundeswehr als verfassungsrechtlich frag­würdig bezeichnete. „Eine Aktivität, die unserer Verfassungslage in nichts entspricht“, urteilte er über das Afghanistan-Mandat.

Und auch ein anderer Auftritt Gauweilers ist in der CSU bis heute nachhaltig in Erinnerung: seine Rede beim politischen Aschermittwoch 2014, in der er ungewöhnlich russlandfreundliche Töne anschlug.

Möglich, dass Gauweiler darauf gehofft hat, dass sich die Erregung legt. Aber auf einem kleinen Parteitag kündigte Seehofer zuletzt an, dass er im Herbst wieder kandidieren und eine neue Führungsmannschaft präsentieren will. Es war klar, dass die beiden Peter nicht dazugehören würden.

Das Verhältnis zu Ramsauer gilt als belastet. Seit er in Berlin nicht mehr Verkehrsminister ist, agiert Ramsauer freier denn je. Geht auch er? Oder sitzt er den Parteichef aus?

Gauweiler entschied sich jedenfalls für einen effektvollen Abgang als „Märtyrer“. In einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) machte er klar, dass sein Verständnis seiner Aufgabe als Abgeordneter und auch das CSU-Programm es ihm unmöglich machen, im Parlament zu EU-Fragen so abzustimmen, wie von ihm „öffentlich verlangt“ worden sei.

Von Seehofer gab es kein Wort des Bedauerns. Er ließ nur in wenigen dürren Zeilen erklären, dass er Gauweilers Entscheidung „respektiere“. Ein kurzer Dank noch „für die geleistete Arbeit für unsere Partei“, das war’s, aus. Dass Gauweiler seiner drohenden Abwahl zuvorkommt, dürfte für Seehofer einerseits eine Erleichterung sein. Andererseits stellt dies die CSU vor ungeahnte Probleme. Jedenfalls hat Seehofer die Machtfrage klar für sich entschieden.

Doch Gauweiler könnte der Partei auch spürbar fehlen: Er ist ein Bierzelt-Redner alter Schule, der seine Zuhörer zu begeistern weiß. Und ganz sicher fehlen dürfte einer, der die Brüssel-, Euro- und Griechenland-kritische Flanke abdeckt. „Eine nicht kleine Minderheit in der CSU ist jetzt irritiert“, sagt einer aus dem Vorstand, der von einer „gefährlichen Situation“ spricht: Drohen nun CSU-Anhänger zur AfD abzuwandern? AfD-Chef Bernd Lucke hat schon eine Einladung an Gauweiler ausgesprochen.