Berlin. Bis zu 40.000 Tote pro Jahr durch Infektionen im Krankenhaus. Minister entwickelt Maßnahmenpaket

Mit schärferen Meldepflichten, effektiveren Kontrollen und gezielter Forschung will Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) der Bedrohung durch tödliche Krankenhaus-Keime begegnen. Gefährliche resistente Erreger sollen künftig schon beim ersten Nachweis gemeldet werden müssen, wie aus einem Zehn-Punkte-Plan des Ministers für die 2000 Kliniken hervorgeht, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.

Die Gesundheitsämter sollen so Zeit gewinnen. Das medizinische Personal in Arztpraxen wie auch in Kliniken soll sich künftig einer Hygienefortbildung unterziehen. Gröhe prüft zudem, Patienten vor Behandlungen verpflichtend auf multiresistente Erreger zu testen, damit sie diese nicht ins Krankenhaus einschleppen.

Die Klinken sollen verpflichtet werden, ihre regelmäßigen Qualitätsberichte um Angaben zu Hygienestandards zu ergänzen – allerdings in einer für die Patienten verständlichen Sprache. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sagte, 10.000 bis 15.000 Todesfälle pro Jahr allein durch Klinikinfektionen könnten die Politik nicht kaltlassen. Das wären bis zu 40 Menschen Tag für Tag.

Oft handelt es sich um Bakterien, gegen die nur wenige Antibiotika und schlimmstenfalls gar kein Medikament helfen. Am meisten verbreitet ist der Bakterienstamm MSRA, der schwere, zuweilen tödliche Infektionen verursacht. Er ist gegen Antibiotika wie Penizillin unempfindlich. Das interne Papier soll noch mit anderen Ministerien abgestimmt werden.

Vorgesehen ist auch, dass über einen Zeitraum von drei Jahren Forschungsvorhaben gefördert werden, die sich mit Krankenhaus-Infektionen und Antibiotika-Resistenzen beschäftigen. Insgesamt sollen Resistenzen und der Antibiotika-Verbrauch bei Menschen und Tieren stärker überwacht werden. Schon jetzt stehen den Krankenhäusern bis 2016 insgesamt 365 Millionen Euro zur Verfügung, um Hygienepersonal einzustellen und Ärzte und Pflegekräfte weiterzubilden.

Die Regierung will auch darauf dringen, dass neue Wirkstoffe auf den Markt kommen und mit den Pharmafirmen darüber beraten, welche Hindernisse sie bei Forschung und Entwicklung sehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits angekündigt, resistente Keime zum Thema der deutschen G7-Präsidentschaft in diesem Jahr zu machen.

Nach Angaben der Regierung kommt es pro Jahr im Zuge von medizinischen Behandlungen zu 400.000 bis 600.000 Infektionen. Ein Drittel davon gelten als vermeidbar. Besonders anfällig sind Kranke mit komplizierten Eingriffen sowie alte Patienten. In beiden Gruppen nehmen die Zahlen zu. Für Aufsehen hatten Todesfälle im Kieler Uniklinikum gesorgt. Die Patienten infizierten sich mit einem multiresistenten Keim.

Die Zahlen über die Häufigkeit der Infektionen in Kliniken schwanken: Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene bezifferte die jährlichen Todesfälle zuletzt auf etwa 40.000 und die der Infizierten auf rund eine Million.

Die Bundesärztekammer lobte Gröhes Vorhaben. „Es ist gut, dass der Bundesgesundheitsminister die Bemühungen der Ärzteschaft um gute Krankenhaushygiene gesetzlich unterstützen will“, sagte Präsident Frank-Ulrich Montgomery. Die im Zehn-Punkte-Plan aufgelisteten Maßnahmen seien ehrgeizig. Es fehlen aber tragfähige Vorschläge für eine solide Finanzierung.