Berlin. Wenn Männer länger als zwei Monate aus dem Beruf aussteigen, um für ihre Kinder da zu sein, müssen sie mit Nachteilen im Job rechnen

Das ist zum Beispiel Herr Rabe. Der Teamleiter Personalmanagement eines großen Automobilkonzerns hatte nach der Geburt seines ersten Kindes sechs Monate Elternzeit genommen. Das wird er nicht noch einmal tun. Beim zweiten Kind würde er höchstens zwei Monate nehmen – wenn überhaupt, erzählte der Teamleiter den Autoren der Studie „Nachhaltige Effekte der Elterngeld-Nutzung durch Väter“ des Berliner SoWiTra-Institus.

Rabe hat sehr negative Erfahrungen gemacht: Sobald er die Dauer seiner Elternzeit bekannt gegeben hatte, wurden seine Leistungen negativ beurteilt. Ihm wurde „Illoyalität als Mann“ vorgeworfen, seine weibliche Vorgesetzte sagte: „Man hätte einfach etwas anderes erwartet, sonst hätte man ja eine Frau einstellen können.“ Bei seiner Rückkehr aus der Elternzeit wurden ihm nur noch eine Arbeitszeit von 30 Stunden angeboten, sagt Rabe – zuvor hatte er 40 Stunden gearbeitet. Rabe wurde nahe gelegt, sich nach einem anderen Bereich umzuschauen. Seine Mitarbeiterin war bereits einer anderen Abteilung unterstellt worden, als er zurückkehrte. Mehr als ein Jahr später hat sich seine Position nicht verbessert.

Zwar berichten die meisten Väter, die Elterngeld in Anspruch genommen haben, dass sich nach der Rückkehr für sie keine Verschlechterung der beruflichen Position ergeben habe, doch wer mehr als die üblichen zwei Monate nimmt, für den steigt die Gefahr des Karriereknicks.

„Während eine kürzere Nutzung mit ein bis zwei Elterngeldmonaten den Karriereverlauf in der Regel nicht beeinträchtigt, steigt die Gefahr mit einer längeren Elterngeldnutzung von mindestens drei Monaten deutlich an“, berichten die Autoren der neuen Studie, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung unterstützt wurde. „Neben Ansehens- und Einkommensverlusten kommt es am häufigsten zu schlechteren Aufstiegsmöglichkeiten“, so ihre Feststellung.

Für die Studie wurden zwischen 2012 und 2014 ausführliche Interviews mit 43 ausgewählten Elterngeldvätern sowie eine Online-Umfrage mit mehr als 600 Teilnehmern durchgeführt. Die Online-Befragung sei mit der offiziellen Elterngeldstatistik weitestgehend vergleichbar, schreiben die Autoren. Bei den 43 ausgewählten Interviewpartnern seien Väter mit längerer Elterngeldnutzung überrepräsentiert, weil man genau mit diesen Vätern sprechen wollte.

Zwei Drittel der intensiv befragten Väter nahmen drei oder mehr Elterngeldmonate. Laut der offiziellen Statistik nimmt nur ein Fünftel der Väter mehr als zwei. Fast jeder dritte Vater nimmt inzwischen Elterngeldmonate, im Schnitt drei.

In der Online-Befragung gab mit drei Vierteln die große Mehrheit der Väter an, ihre Aufstiegsmöglichkeiten hätten sich nach der Elternzeit nicht verändert. Das Karriererisiko steigt jedoch der Studie zufolge mit der Dauer des Elterngeldbezugs: 16 Prozent der Zweimonats-Väter sehen demnach eine Verschlechterung ihrer betrieblichen Aufstiegsmöglichkeiten. Bei jenen, die mindestens drei Monate Elternzeit nehmen, sind es schon 27 Prozent. In den ausführlichen Einzelinterviews bestätigte sich dieses Ergebnis.

Unabhängig davon, ob ihr Betrieb als familienfreundlich gilt, berichten die Väter von Einschränkungen ihrer bisherigen Tätigkeitsfelder, von Projekten mit weniger Verantwortung oder von einer erwartbaren Beförderung, die dann noch nicht erfolgte. So sagt ein Berater in einem großen Pharmaunternehmen, der sieben Monate Elterngeld bezog: „Ich bin in Elternzeit gegangen, da war ein Cut, und man kann wieder von vorn anfangen, mit allen Verhandlungen, mit allen Sachen, mit allem wieder von vorn.“ Beim zweiten Kind nahm er nur noch zwei Monate Elternzeit, beim dritten dann gar keine mehr. Seine Frau und er kehrten zur traditionellen Rollenverteilung zurück, er war wieder der Familienernährer.

Der Studie zufolge bekommen Väter vor allem in solchen Betrieben mehr Probleme länger auszusteigen, in denen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Privatsache angesehen wird und die Betriebskultur noch nicht „väterorientiert“ sei. Vor allem die Unterstützung des direkten Vorgesetzten spiele eine Schlüsselrolle.

Wer bei der Umsetzung der Elternzeit starke Unterstützung des direkten Vorgesetzten erfahre, habe auch weniger Probleme beim Wiedereinsteig.

Bei jenen, die Unterstützung erfuhren, verschlechterte sich die Situation nur für fünf Prozent der Befragten. In der Gruppe, die nicht von ihren Chefs unterstützt wurde, berichten dagegen 24 Prozent von einer längerfristigen Verschlechterung der Berufssituation.

Immer noch müssen Väter mit negativen Reaktionen ihrer Vorgesetzten rechnen, wenn sie in Elternzeit gehen. Immerhin 31 Prozent der Väter, die nur ein bis zwei Monate nahmen, berichten von negativen Erfahrungen. Bei Vätern mit mindestens drei Monaten stießen 36 Prozent auf anfängliche Ablehnung.

Je schwieriger es ist, eine Vertretung für den Mitarbeiter zu organisieren, desto negativer fällt den Befragungen zufolge die Reaktion der Chefs aus. Die Vorgesetzten befürchten oft, ihre eigenen betrieblichen Leistungsvorgaben nicht erfüllen zu können.

Will die Firma offiziell die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, könne das, müsse aber nicht die Einstellung der Vorgesetzten beeinflussen. „Familienorientiert heißt nicht unbedingt väterorientiert“, heißt es in der Studie. Die meisten Vorgesetzten folgten vor allem ihren persönlichen Einstellungen, Leitbildern und ihren Vorstellungen von Männlichkeit, bevor die offizielle Firmenpolitik greife. „Das hängt vom Lebensmodell der Führungskraft ab. Wenn da Familie kein Lebensmodell ist, dann ist kein Verständnis da“, sagt ein Befragter.

Wer nach der Elternzeit allerdings seine Arbeitszeit längerfristig reduziert – das ist laut der Online-Umfrage immerhin jeder fünfte Vater – läuft Gefahr, in der „Teilzeit-Falle“ zu landen. „Die Erkenntnis vieler Frauen, dass Teilzeit und Karriere sich ausschließen, ist zunehmend eine Erfahrung, die auch Männer machen müssen“, schreiben die Autoren.

Seite 2 Leitartikel