Berlin.

Daniel Friedrich Sturm

Monatelang wurden die Zähne in der SPD zusammengebissen. Obwohl die Sozialdemokraten nichts von der Pkw-Maut halten, nahmen sie es in der Großen Koalition bislang hin, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seine Pläne durchgezogen und in den Bundestag gebracht hat. Weil es der Koalitionsvertrag verlange und die Union ja auch den Mindestlohn mittrage, werde man die Pkw-Maut akzeptieren, sagten SPD-Redner noch vor zehn Tagen im Bundestag,

Aber jetzt kündigen 14 SPD-Abgeordnete das Stillhalteabkommen auf. In einem Positionspapier, aus dem die „Welt am Sonntag“ zitierte, formuliert eine Gruppe um die Verkehrspolitiker Johannes Fechner, Thomas Hitschler und Lars Klingbeil sowie den Mittelstandspolitiker Christian Flisek grundlegende Bedenken gegen die Pläne. Die Gruppe fordert zahlreiche Änderungen und stellt den Zeitplan für die Verabschiedung des Gesetzes infrage. Somit wird die Maut zur Belastung für die Große Koalition. Ausdrücklich allerdings betonen die Verfasser des Positionspapiers, dass sie zum Koalitionsvertrag und der dortigen Verabredung über die Pkw-Maut stehen. Um aber diese Vereinbarung auch tatsächlich zu erfüllen, müsse Dobrindt noch zahlreiche Änderungen und Klarstellungen vornehmen. Schon bei der Zeitfrage ist das Papier hochbrisant. Es dürfe nicht sein, dass die Maut „ohne angemessene Beratungszeiten im Eilverfahren beschlossen wird“, schreiben die SPD-Parlamentarier und zielen damit ins Zentrum eines Koalitionsstreits. Der wurde angefacht durch Dobrindt.

Gutachter zweifeln an Berechnungen und an Vereinbarkeit mit EU-Recht

Der Minister verlangt, das Gesetz im Bundestag möglichst rasch zu verabschieden, damit Dobrindt rechtzeitig vor der von ihm für Januar 2016 geplanten „Scharfstellung“ der Pkw-Maut den Verwaltungsapparat aufbauen kann. Deshalb will Dobrindt, dass die Pkw-Maut schon am 26. März vom Bundestag beschlossen wird. Mit ihm zusammen aufs Tempo drückt der Unionsobmann im Verkehrsausschuss, Ulrich Lange (CSU), der im Ausschuss in der vergangenen Woche gegen heftige Proteste der Opposition und Bedenken der SPD durchsetzte, dass der Verkehrsausschuss schon am 18. März die nötige Expertenanhörung zur Pkw-Maut durchführt. Obwohl diese sehr kurzfristige Anberaumung zur Folge hat, dass mautkritische Experten wegen anderer Terminverpflichtungen nicht kommen können, nahmen das die SPD-Vertreter im Ausschuss grummelnd hin. Doch dass damit schon die Weichen für eine Verabschiedung am 26. März gestellt werden, wollen die Verfasser des Positionspapiers nicht akzeptieren. „Wir fordern eine Entzerrung des Zeitplans und breitere Beteiligungsmöglichkeiten für Parlament, Bundesrat, Kommunen und Interessenverbände“, erklärte die Gruppe. Das aber heißt, dass sie von ihrer SPD-Fraktion verlangt, sich den Terminwünschen des Ministers zu widersetzen und mit ihm Krach zu riskieren.

Prompt aber weist CSU-Mann Lange die Zeitwünsche der SPD-Abgeordneten zurück: „Von Eilverfahren kann gar keine Rede sein“, sagte Lange. „Wir arbeiten konstruktiv, aber zügig.“ Doch was bei der Maut tatsächlich für die Verkehrsinfrastruktur herausspringt, ist nach Ansicht der SPD-Abgeordneten gar nicht klar. Sie haben erhebliche Zweifel, ob das Verhältnis zwischen Kosten und Einnahmen stimme.

Dobrindt geht davon aus, dass die Maut-Einnahmen jährlich 696 Millionen Euro brutto betragen, erbracht allein von Ausländern. Denn nur sie müssten für die „Infrastrukturabgabe“ real bezahlen, weil die ebenfalls mautpflichtigen Halter von deutschen Pkw in voller Höhe bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Dobrindt zieht von jenen 696 Millionen Euro 202,5 Millionen an jährlichen Verwaltungskosten ab und kommt somit auf Nettoeinnahmen von 493,5 Millionen pro Jahr. Diese Kalkulation ist von mehreren Verkehrswissenschaftlern als zu optimistisch zurückgewiesen worden.

Zweifel machen die SPD-Abgeordneten auch bei der Frage geltend, ob Dobrindts Maut-Plan dem EU-Recht entspricht. Dies wird von mehreren Gutachtern bestritten, auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Diese Bedenken greift das Positionspapier auf und fordert zusätzlich, Dobrindt solle klarstellen, dass bei einem EU-Einspruch gegen die Kfz-Steuersenkung auch die Maut außer Kraft gesetzt wird. Damit es aber erst gar nicht zu einem solchen Durchein­ander kommen kann, soll nach Meinung der Autoren bereits vor einer Bundestagsentscheidung klar sein, dass aus Brüssel gar keine Einwände kommen werden: „Vor Gesetzesverabschiedung sollte eine Stellungnahme der EU-Kommission vorliegen, dass dieses Mautmodell EU-rechtskonform ist.“