Jörg Ziercke ist Profi. Dennoch gerät er in Erklärungsnot, als er im Edathy-Untersuchungsausschuss nach dem Informationsfluss in der Kinderporno-Affäre gefragt wird. Edathy hält – obwohl ihm alle widersprechen – an seiner Version der Vorgänge fest.

Berlin. Im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Edathy-Affäre steht schon wieder Aussage gegen Aussage. Der frühere Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, wies am Donnerstag als Zeuge vor dem Ausschuss den Vorwurf von sich, er habe unerlaubt Informationen zu den Kinderporno-Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy an andere SPD-Politiker weitergegeben. Das behauptet Edathy, der auch bei seiner zweiten Befragung am Donnerstag vor dem Ausschuss bei dieser Aussage blieb.

Nach Darstellung Edathys war er durch seinen Parteifreund, den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann, Ende 2013 und Anfang 2014 fortlaufend über die Ermittlungen informiert worden – und Hartmann habe ihm gesagt, seine Informationen stammten wiederum von Ziercke.

Ob Hartmann damals gelogen habe, könne er natürlich nicht wissen, sagte Edathy, der wie schon bei seiner ersten Aussage sehr ausführlich und präzise antwortete. Darüber, wie er informiert worden sei, habe er damals außer mit seinem Anwalt auch mit drei Menschen aus seinem Umfeld gesprochen, darunter sein Büroleiter und ein ehemaliger Büroleiter. Hartmann hatte im Dezember vor dem Ausschuss bestritten, Informationen an Edathy geliefert zu haben.

Ziercke warf Edathy am Donnerstag Arroganz und Realitätsferne vor. Der frühere BKA-Chef sagte vor dem Ausschuss stundenlang souverän und detailliert aus. Ungehalten reagierte er lediglich auf eine Frage des Abgeordneten Frank Tempel (Linke).

Tempel bat Ziercke, noch einmal den Inhalt eines Telefonats mit dem heutigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zu schildern, das am 17. Oktober 2013 geführt worden sein soll. Ziercke sagte, Oppermann habe ihn damals gebeten, ihm zu bestätigen, dass gegen Edathy ermittelt werde. Darauf habe er, weil er gewusst habe, dass er zu einer solchen Auskunft nicht befugt gewesen sei, mit den Worten geantwortet: „Das kommentiere und dementiere ich nicht.“

Ziercke betonte, er habe mit Hartmann, den er sehr schätze, nie über die seit 2013 laufenden Ermittlungen gegen Edathy gesprochen. Über Edathy, den er als Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zur NSU-Mordserie erlebt hatte, sagte Ziercke, er sei ihm von Anfang an unsympathisch gewesen. Er, Ziercke, habe also keinerlei Veranlassung gehabt, Edathy auf dem Umweg über Hartmann vor den Ermittlungen zu warnen und dadurch womöglich seine eigene Karriere zu gefährden. Ziercke fragte: „Wie verrückt ist denn das eigentlich?“

CDU-Obmann Armin Schuster erklärte am Rande der Sitzung, Ziercke sei beileibe nicht der Einzige gewesen, der frühzeitig über die Ermittlungen im Bilde gewesen sei. In Niedersachsen seien bereits am 15. Oktober 2013 – also noch bevor Ziercke offiziell das Bundesinnenministerium von den Ermittlungen gegen Edathy in Kenntnis setzte – auch außerhalb der zuständigen Polizeidienststelle zahlreiche Menschen informiert gewesen.

Während die Ermittlungen in Niedersachsen liefen, hatte das BKA dort mehrfach deren Stand abgefragt. Laut Ziercke wurde diese Praxis aber dann beendet, weil der zuständige Oberstaatsanwalt erstens erstaunt gewesen sei, dass Edathys Anwalt wiederholt detaillierte Fragen zu dem Verfahren gestellt habe – und weil sich der Justizbeamte wohl gefragt habe: „Was macht der Ziercke damit (mit den Informationen)?“

Edathy muss sich ab Februar vor dem Landgericht im niedersächsischen Verden wegen des Besitzes von Kinderpornos vor Gericht verantworten. Er hatte sein Mandat im Februar 2014 niedergelegt, nachdem die Vorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren. Edathy hat die vergangenen Monate größtenteils im Ausland verbracht.

Die nächste Sitzung des Ausschusses soll am 28. Januar stattfinden.