SPD-Politiker Lauterbach will Edathy medizinische Hilfe angeboten haben – der bezichtigt ihn sofort der Lüge. CDU-Innenexperte Bosbach kritisiert, in der Kinderporno-Affäre werde „hammerhart“ gelogen.

Nach seiner mehr als achtstündigen Vernehmung im Untersuchungsausschuss des Bundestages hat der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy noch einmal nachgelegt. Auf seiner Facebook-Seite bezichtigte er den SPD-Abgeordneten und Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der Lüge.

Dieser hatte am Donnerstagabend in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ gesagt, er habe Edathy im vergangenen Februar medizinische Hilfe angeboten; kurz vor einem Talkshowauftritt zur Affäre will Lauterbach den Kontakt zu Edathy per SMS wieder abgebrochen haben. Edathy schrieb zu dem angeblichen Hilfsangebot Lauterbachs: „Ist schlicht gelogen. Und das auch noch völlig ohne Not.“

Zugleich veröffentlichte Edathy eine SMS-Antwort, die ihm Eva Högl (SPD) – heute Vorsitzende des Edathy-Untersuchungsausschusses – angeblich am 24. Oktober 2013 geschickt hatte. Darin ging es um die Frage, wie die Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen mit der Union ausgewählt worden waren: „Die ganze Aufstellung erfolgte nach unbekannten Regeln. Wir können es auch Sigmars Chaos oder Anarchie nennen ;-)“

Von der SPD-Fraktion war zunächst nicht zu erfahren, ob es sich bei dem Text, der offensichtlich auf SPD-Chef Sigmar Gabriel anspielt, tatsächlich um eine Nachricht von Högl handelt. Edathy hatte sein Mandat im Februar dieses Jahres wegen der Kinderporno-Ermittlungen gegen ihn niedergelegt. In seiner Zeugenaussage in der Bundespressekonferenz und dem Untersuchungsausschuss am Donnerstag hatte er SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann und den früheren BKA-Chef Jörg Ziercke belastet.

Oppermann bestreitet Edathys Aussagen

Edathy war nach eigener Darstellung ständig über die Ermittlungen gegen sich informiert. Das Leck soll Ziercke gewesen sein. Außerdem sei der Kreis der Mitwisser in der SPD um Oppermann größer gewesen als bisher bekannt, behauptete der Ex-Abgeordnete am Donnerstag vor der Presse.

Oppermann wies am Freitag Edathys Aussage zurück, er habe auch seinen Büroleiter über die Vorwürfe gegen den Politiker informiert. Er verneinte im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung eine entsprechende Frage. „Ich habe mein Wissen über den Fall Edathy bis zu dessen Mandatsniederlegung keinem meiner Mitarbeiter anvertraut“, sagte Oppermann.

Die Informationspolitik in der Affäre um Kinderpornografie-Ermittlungen gegen Edathy steht derzeit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Edathy hatte dazu am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestags unter anderem, Oppermann habe ihn indirekt über seinen Büroleiter zum Mandatsverzicht gedrängt. Edathy will außerdem von Hartmann vor den Ermittlungen gewarnt worden sein. Dazu sagte Oppermann, dies sei eine „abenteuerliche Behauptung“. Er halte dies für „total abwegig“. Der Fraktionschef soll im kommenden Jahr vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.

Hartmann – der selbst kürzlich ein Problem mit der Droge Crystal Meth eingestanden hatte – betonte im Ausschuss mehrfach, Edathy habe Ende 2013 viel Alkohol getrunken. Mehrere Fragen konnte Hartmann nicht beantworten. Er führte Erinnerungslücken an. Er sagte auch, er habe 2013 von Ziercke keine Informationen über die Ermittlungen gegen Edathy erhalten. Ergo habe er diesen auch nicht auf dem Laufenden halten können.

Die Grünen warfen Hartmann vor, er habe sich in seinen Aussagen in Widersprüche verwickelt. Angesichts seiner Aussagen als Zeuge im Ausschuss könne der Eindruck entstehen, seine wenige Tage zuvor veröffentlichten Angaben zu der Kinderpornographie-Affäre seien „erstunken und erlogen“, sagte die Obfrau der Grünen im Ausschuss des Bundestages, Irene Mihalic, am Donnerstagabend.

Bosbach sieht Koalition belastet

CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sieht die große Koalition durch die Edathy-Affäre belastet. Die Basis der Zusammenarbeit müsse Vertrauen sein, „und dieses Vertrauen ist ein gutes Stück weit abhanden gekommen“, sagte Bosbach im Deutschlandfunk. Dieser Eindruck bleibe, solange es das Gefühl gebe, es werde nicht die volle Wahrheit gesagt. Allerdings gebe es „in der obersten Etage ein überragendes Interesse“ daran, dass die Koalition aus CDU, CSU und SPD ruhig weiterarbeite, versicherte Bosbach. Die Affäre hatte im Frühjahr den Start der großen Koalition aus Union und SPD überschattet. Bundesminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stürzte, weil er Informationen zu drohenden Ermittlungen gegen Edathy an SPD-Chef Gabriel weitergegeben hatte.

„Es wird hammerhart gelogen. Aber von wem, das wissen wir nicht“, kritisierte Bosbach mit Blick auf die sich widersprechenden Aussagen von Edathy und anderen SPD-Politikern. Dies werfe leider auch ein schlechtes Licht auf die Politik insgesamt, sagte der Christdemokrat. Es bestärke „eine Art Generalverdacht in der Bevölkerung“.

In der „Passauer Neuen Presse“ sagte Bosbach, er halte die Darstellung Edathys, dieser habe nur legales Bildmaterial erworben, für „nicht besonders glaubhaft“. Bosbach führte aus, nicht nur Minister, auch Abgeordnete trügen eine „große Verantwortung“. Edathy glaube noch immer, „das eigentliche Opfer sei er“. Es sei „bedauerlich“, dass der frühere SPD-Abgeordnete bislang „nicht ein einziges Wort des Bedauerns“ für missbrauchte Kinder gefunden habe. „Denn das sind die wahren Opfer.“

Bundesrat billigt Gesetz gegen pornografische Kinderbilder

Die Bundesländer gaben am Freitag grünes Licht dafür, dass der Handel und Besitz pornografischer Bilder von Kindern und Jugendlichen künftig schärfer geahndet wird. Die Länderkammer billigte den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht.

Demnach wird künftig die Beschaffung von kinderpornografischem Material mit einer bis zu dreijährigen Gefängnisstrafe geahndet. Schwere Sexualstraftaten an Kindern verjähren nicht mehr vor der Vollendung ihres 50. Lebensjahres. Das Anfertigen von Aufnahmen nackter Kinder und Jugendlicher ist strafbar, wenn die Bilder zum Verkauf oder Tausch vorgesehen sind.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte nach der Bundesratsentscheidung: „Kinderpornografie ist sexueller Missbrauch. Kinder sind nicht in der Lage, sich gegen solche Gewalt zu wehren und werden traumatisiert.“ Er fügte hinzu: „Auch wenn Nacktbilder von Kindern und Jugendlichen zu kommerziellen Zwecken hergestellt oder anderen angeboten werden, wird dies künftig strafbar sein.“ Allerdings solle sozial übliches und alltägliches Verhalten straffrei bleiben. „Diese Grenze wollen wir ganz klar ziehen.“ Der Fall Edathy war mit Auslöser für die Gesetzesverschärfung gewesen.