Russlands Rolle in der Ukraine-Krise schreckt die Nato auf. Experten fordern eine Stärkung des Bündnisses als Verteidigungsgemeinschaft. Russlands Außenminister Lawrow kritisiert die Nato-Ambitionen der Ukraine.

Berlin/Newport. Die Nato muss sich nach Worten deutscher Sicherheitsexperten Russland robust entgegenstellen, ohne in den Kalten Krieg zurückzufallen. So rief der ehemalige Nato-General Harald Kujat die Bündnispartner am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk auf, wieder mehr Geld für das Militär auszugeben. Dies gelte besonders für Deutschland.

Vor dem Nato-Gipfel in Wales forderte Kujat das Bündnis auf, sich wieder auf seinen Kernauftrag der kollektiven Verteidigung zu konzentrieren. Bisher hätten sich die Streitkräfte eher auf Krisen- und Konflikteinsätze vorbereitet. Für eine langfristige Lösung der Ukraine-Krise sei es notwendig, dass die Minderheitenrechte der Russen und anderer in einer föderalen Struktur garantiert würden.

Der ehemalige Vorsitzende des Nato-Militärausschusses Klaus Naumann begrüßte die Idee einer schnellen Nato-Eingreiftruppe. „In gewisser Weise kehren wir zurück zum Prinzip der Abschreckung“, sagte der General a.D. im Deutschlandfunk. „Russland muss wissen, wenn sie diese Nato-Truppen berühren, dann stehen sie an der Schwelle eines bewaffneten Konflikts mit allen 28 Nato-Ländern – ein Konflikt, den Russland niemals gewinnen kann.“

In Deutschland habe sich die Illusion breitgemacht, man könne alles durch Verhandlungen lösen. „Das ist blanker Unsinn“, sagte Naumann. Ein Rückfall in den Kalten Krieg müsse aber verhindert werden. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, betonte im RBB Inforadio zum anstehenden Nato-Gipfel, es gehe um eine Bekräftigung der Grundprinzipien: „Der Charakter des Verteidigungsbündnisses tritt nun wieder in den Vordergrund.“

„USA zwingt Willen auf“

Die Staats- und Regierungschefs der Nato beraten am Donnerstag und Freitag in Wales über die Zukunft des Bündnisses. Beherrschendes Thema ist das Verhältnis zu Russland. Der Führung in Moskau wird vorgeworfen, nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim nun Separatisten im Krieg in der Ostukraine zu unterstützen. Dagegen hat der russische Außenminister Sergej Lawrow vor einem Ende des blockfreien Status der Ukraine gewarnt. Wer die Neutralität der Ex-Sowjetrepublik infrage stelle, gefährde die Suche nach einer Lösung im Ostukraine-Konflikt, sagte er am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau.

„Russland will, dass das ukrainische Volk in dieser Krise siegt. Aber eine Reihe westlicher Länder wünscht sich in diesem Konflikt einen Sieg der Nato“, sagte Lawrow. Die USA würden anderen Staaten ihren Willen aufzwingen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nimmt am Nato-Gipfel in Wales teil. Vor wenigen Tagen hatte die prowestliche Regierung in Kiew eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, die auf ein Ende des blockfreien Status abzielt. Die Nato hatte aber mehrfach betont, eine Debatte über eine Aufnahme der Ukraine sei nicht aktuell.

Hilfe im Kampf gegen Terrormiliz IS

Auch die Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat beschäftigen den Nato-Gipfel in Wales. Die Nato ist bereit zur Hilfe im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Das sagte der Generalsekretär des Bündnisses Anders Fogh Rasmussen unmittelbar vor Beginn des Nato-Gipfeltreffens). Maßnahmen gegen den IS werden die 28 Staats- und Regierungschefs des Bündnisses bis Freitag ebenso beschäftigen wie das derzeit zerrüttete Verhältnis zu Russland wegen der Ukraine-Krise.

Rasmussen sprach direkt die Führung des Iraks an. „Ich bin sicher, dass falls die irakische Regierung um Nato-Hilfe bitten würde, dies von den Verbündeten sehr sorgfältig geprüft würde“, sagte er. Bisher gebe es keine Anfrage. Rasmussen sagte, die Nato habe bis 2011 Ausbilder im Irak stationiert. „Und wenn die irakische Regierung die Wiederaufnahme solcher Ausbildungsaktivitäten erbitten würde, dann würden die Nato-Verbündeten das ganz sicher ernsthaft prüfen.“

Rasmussen begrüßte, dass US-Präsident Barack Obama und der britische Premierminister David Cameron der Terrormiliz IS den Kampf angesagt hätten. „Ich glaube, dass die internationale Gemeinschaft insgesamt eine Verpflichtung hat, die IS an einem weiteren Vorrücken zu hindern.“