Dem streitbaren Grünen ist mit dem Snowden-Brief ein Coup gelungen. Hans-Christian Ströbele führt die Kanzlerin vor. Er ist ein Mann der Extreme.

Berlin/Hamburg. Hans-Christian Ströbele, 74, ist schon immer ein Mann der Extreme gewesen. Nachdem er wieder als einziger Grüner in Berlin (Friedrichshain, Kreuzberg, Prenzlauer Berg) direkt in den Bundestag gewählt wurde, dreht er offenbar noch einmal richtig auf. Ihm ist mit dem Besuch beim NSA-Enthüller Edward Snowden in Moskau ein geradezu weltweit beachteter Coup gelungen.

Nicht schlecht für einen Mann, der mit dem zum Rechtsradikalen gewandelten Horst Mahler zusammenarbeitete, Andreas Baader und die Rote-Armee-Fraktion (RAF) als Anwalt verteidigte, selbst verurteilt wurde und Mitgründer der Grünen war.

Mehr oder minder humorvoll sagte Ströbele während der Präsentation des Snowden-Briefes am Freitag in Berlin, dass sich wohl alle Geheimdienste jetzt auch für ihn interessieren. Dabei ist er selbst Mitglied des parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG), das im Bundestag geheim tagt und die Geheimdienste kontrollieren soll. Doch was heißt das in diesen Tagen schon?

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Als Ströbele schon eine Stunde erzählte, klingelte sein Handy. Er fummelte das Telefon hervor. Ein neues iPhone oder – nach Ströbeles Worten – ein „wie heißt das, Five irgendwas“. Er schaut auf das Display, lacht wieder und fragt in die Runde: „Kennt hier einer die Nummer der Kanzlerin?“ Gelächter. Ströbele wurde zuvor gefragt, ob sich die Regierungschefin wegen des Snowden-Dates schon bei ihm gemeldet habe.

Es könnte aber auch ein Geheimdienst-Anruf gewesen sein, wird gemutmaßt. Schließlich, meint Ströbele, seien die Nachrichtendienste wohl generell neugierig, was er so treibt: „Ich gehe mal davon aus, die interessieren sich alle für mich.“

Snowden sei bereit, nach Deutschland zu kommen und bei der Aufklärung der NSA-Spionageaffäre mitzuwirken. Ströbele sagte: „Er (Snowden) kann sich vorstellen, nach Deutschland zu kommen, wenn gesichert ist, dass er danach in Deutschland oder einem anderen vergleichbaren Land bleiben kann und dort sicher ist.“

Ströbele sagte, eine Befragung Snowdens auf russischem Boden, etwa durch einen deutschen Richter oder Ermittlungsbeauftragten eines Bundestags-Untersuchungsausschusses, wäre für Snowden dagegen problematisch. Auch könne er nicht einfach für eine Aussage nach Deutschland fliegen und danach nach Russland zurückkehren.

Snowden genießt in Russland nur eingeschränktes Asylrecht. Für eine Reise nach Deutschland benötige er freies Geleit und anschließend Asyl oder ein Aufenthaltsrecht, sagte Ströbele. Die USA haben bereits ein Ersuchen an Deutschland gestellt, Snowden festzunehmen und auszuliefern.

Snowden habe deutlich gemacht, dass er zur Aufklärung der Spionageaffäre beitragen könne, sagte Ströbele. Er habe darauf verwiesen, dass er bei CIA und NSA nicht nur als Administrator tätig, sondern auch an Operationen beteiligt gewesen sei. Zudem könne er Dokumente erklären und erläutern. „Er ist in hohem Maß interessiert an der Aufklärung der ganzen Geschichte“, sagte Ströbele.

Das Überraschungstreffen hatte eine monatelange Vorgeschichte. „Sie alle wissen, dass seit Juni alle Welt von Edward Snowden redet“, sagte Ströbele. „Da hab ich von Anfang an im Juni schon die Frage gestellt, warum fragt man ihn nicht einfach selbst.“

Seiner entsprechenden Aufforderung unter anderem an die Bundesregierung sei niemand nachgekommen. „Da hab ich gedacht, da versuch ich's selbst mal“, sagte Ströbele. „Ich habe deshalb keinen Urlaub gehabt, weil ich immer auf einer gepackten Tasche saß.“ Der zunächst abgebrochene Kontakt sei erst kürzlich erneuert worden.

Und wie wirkt Snowden auf den deutschen Abgeordneten, der wahrlich schon viel gesehen und erlebt hat? „Ein junger Mann, kerngesund und gut drauf.“