Hängepartie bei der Regierungsbildung droht. Berlusconi und eine Protestpartei stark, doch die Linke liegt vermutlich leicht vorn.

Rom. In Italien liegt die Linke nach der Parlamentswahl in einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen leicht vor dem dreifachen früheren Regierungschef Silvio Berlusconi. Die Auszählungen der Stimmen und gefestigte Hochrechnungen deuteten auf einen möglichen Gewinn der beiden Parlamentskammern durch das Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani hin. Bestätigt wird der sensationelle Auftrieb der populistischen Protestbewegung „Fünf Sterne“ des Komikers Beppe Grillo.

Im Abgeordnetenhaus kann die Linke dank des italienischen Wahlrechts mit einem Bonus für die stärkste Partei rechnen und käme damit auf 340 der 630 Sitze. Der Hochrechnung des Rai-Fernsehsenders zufolge entfielen auf die Mitte-Rechts-Koalition Berlusconis 121 Sitze und auf Grillo Anti-Establishment-Bewegung 111 Sitze. Der bisherige Regierungschef Mario Monti käme demnach mit seinem Bündnis der bürgerlichen Mitte auf 45 Abgeordnete.

Komplizierter sieht die Sitzverteilung weiterhin in der zweiten Kammer, dem Senat, aus. Dort erkämpft das linke Bündnis zwar nach einer Mediaset-Hochrechnung 110 bis 130 Sitze, verpasst aber die Mehrheit. Damit würde Bersanis Bündnis zum Regieren einen Partner benötigen. Berlusconis konservatives Lager aus der Parteil PdL (Volk der Freiheit) und der Lega Nord konnte mit 104 bis 124 Sitzen rechnen, die populistische „Fünf Sterne“-Bewegung mit 40 bis 60 Senatoren. Bersanis möglicher Regierungspartner Monti erziel danach 8 bis 18 Sitze.

Bersani, Chef der Partito Democratico (PD), könnte neuer Ministerpräsident werden, braucht dafür aber wohl einen Koalitionspartner. Grillos „5 Sterne“ kamen in beiden Kammern aus dem Stand auf rund ein Viertel der Stimmen.

Für die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone und die gesamte Währungsgemeinschaft ging es bei den vorgezogenen zweitägigen Parlamentswahlen um viel. Entscheidend ist, ob das hoch verschuldete und in einer tiefen Rezession steckende Land rasch eine stabile Regierung bekommt. Angesichts des unklaren Wahlausgangs reagierten die Märkte sofort und gaben Gewinne wieder ab.

In ersten Prognosen auf Basis der Nachwahlbefragungen waren die Meinungsforscher zunächst von einem Sieg Bersanis in der Kammer ausgegangen, später hatte nach Hochrechnungen längere Zeit Berlusconi vorne gelegen.

Die Populisten um Grillo, die in den letzten Monaten mit europakritischen Tönen einen kometenhaften Aufstieg erlebten, wurden zweitstärkste Einzelpartei im Senat. Sie kamen sensationell auf knapp 23 Prozent. Abgeschlagen an vierter Stelle folgte die Liste des bisherigen Regierungschefs Monti, dessen Bündnis der Mitte nur auf rund neun Prozent kommt. Er käme als möglicher Koalitionspartner für Bersani infrage.

Die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus – also voraussichtlich das Mitte-Links-Bündnis – bekommt einen Bonus für eine stabile Mehrheit von 340 der 630 Sitze. Im umkämpften Senat sind für eine Mehrheit 158 der 315 Sitze nötig. Gut 75 Prozent der wahlberechtigten Italiener gaben laut Innenministerium ihre Stimme ab, 2008 waren es rund 81 Prozent.

Schon gibt es Warnungen vor einer politischen Blockade des Euro- Krisenlandes. „Wenn die Dinge so bleiben, wird das nächste Parlament unregierbar sein“, sagte der stellvertretende Sekretär von Bersanis Demokratischer Partei (PD), Enrico Letta, dem Fernsehsender Rai. Dann müsse man zu den Wahlurnen zurückkehren.

Die Märkte reagierten mit Ernüchterung auf die unklare Lage in Italien: Dax und Co. gaben am Montag wegen des Wahlausgangs bis Handelsschluss einen Teil ihrer zunächst kräftigen Kursgewinne wieder ab. Unsicherheit gilt als Gift für die Märkte. Die Gewinne des deutschen Leitindex Dax bröckelten bis Handelsschluss massiv ab. Er schloss mit einem Plus von 1,45 Prozent bei 7773,19 Punkten. Auch an anderen europäischen Börsenplätzen sah es ähnlich aus. An der Wall Street ging es wegen Sorgen um den Wahlausgang in Italien abwärts. Auch der Euro geriet stark unter Druck, am Anleihemarkt machte sich Nervosität bemerkbar.

Nach dem Rücktritt des parteilosen Regierungschefs Monti hatte Staatschef Giorgio Napolitano im Dezember das italienische Parlament aufgelöst. Die Parlamentswahl wurde daraufhin leicht vorgezogen.