Notenbankchef warnt vor nachlassendem Reformeifer. Konsum bricht 2012 so stark ein wie seit 50 Jahren nicht mehr.

Rom. Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Italien hat der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi eine weitreichende Amnestie für Steuersünder versprochen. Der als exzellenter Wahlkämpfer bekannte Medien-Mogul kündigte am Freitagabend in einer Talkshow des Senders RAI zudem an, auch zurückliegende Verstöße gegen Baugenehmigungen nicht mehr verfolgen zu lassen. „Wenn die Wähler mir und meiner Partei Volk der Freiheit die Mehrheit verschaffen, werde ich unverzüglich eine vollständige Steuer- und Bau-Amnestie umsetzen.“ Mit Blick auf die hohe Staatsverschuldung warnte Notenbankchef Ignazio Visco vor nachlassenden Reform- und Sparanstrengungen.

Berlusconi hatte erst kürzlich mit dem Vorschlag für Aufsehen gesorgt, eine unter seinem Nachfolger Mario Monti durchgesetzte Immobiliensteuer zu streichen und gezahlte Abgaben zurückzuerstatten. Der Schuldenstand in Italien steht bei mehr als 126 Prozent der Wirtschaftsleistung – in der Euro-Zone ist die Quote nur in Griechenland höher.

Ob der in Umfragen hinter den Sozialdemokraten liegende Berlusconi den Sprung nach ganz vorne schafft, wird unter Experten bezweifelt. Derzeit liegt das Mitte-Rechts-Lager in Wählerbefragungen rund sechs Prozentpunkte hinter dem Mitte-Links-Bündnis. Berlusconi hatte zuletzt aber deutlich Boden gutgemacht. Auch wenn er die Mehrheit verpasst, könnte es wegen der Besonderheiten des italienischen Wahlrechts im Senat zu einem Patt kommen. Das könnte die Handlungsfähigkeit einer neuen Regierung einschränken. Gewählt wird am 24. und 25. Februar.

Kritiker befürchten, dass durch Amnestien Steuerhinterzieher ermutigt werden könnten. Steuerflucht ist in Italien ein chronisches Problem, was maßgeblich zur desolaten Haushaltslage beigetragen hat. Die jüngsten Vorschläge des Milliardärs Berlusconi sorgen für Unruhe an den Finanzmärkten, die eine Abkehr vom Sparkurs fürchten.

Notenbankchef Visco warnte, das Land sei weiter fest im Blick der Finanzmärkte. „Italien darf in seiner Wachsamkeit nicht nachlassen“, mahnte Visco auf einer Konferenz in Bergamo. Die wiederholten Spannungen an den Märkten zeigten, in welch fragiler Situation sich das Land befinde. Ähnlich äußerte sich EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn im Gespräch mit dem österreichischen Magazin „profil“. Er bezog sich auf neue Sorgen an den Märkten wegen politischen Unsicherheiten in Italien und Spanien.

In Spanien ist Ministerpräsident Mariano Rajoy durch Korruptionsvorwürfe massiv unter Druck geraten. Am Wochenende bemühte er sich, durch eine Veröffentlichung von Steuererklärungen die Wogen zu glätten – was die Opposition umgehend als unzureichend kritisierte. Rajoy und anderen führenden Politikern seiner Volkspartei wird vorgehalten, über Jahre Schmiergeldzahlungen von Unternehmen vor allem aus der Bauindustrie erhalten zu haben. Der Regierungschef bestreitet dies und hat eine externe Prüfung der Affäre angekündigt.

Der Wahlkampf in Italien wird von der schwachen Wirtschaftsentwicklung dominiert. Das Land leidet unter einer Rekordarbeitslosigkeit und einer Rezession, die durch den schuldenkrisenbedingten Sparkurs verschärft wurde. Dies drückt auch auf den Konsum, der nach Angaben des Einzelhandelsverbandes Confcommercio im vergangenen Jahr um vier Prozent zurückging. Dies sei der stärkste Einbruch seit 50 Jahren gewesen.