Führungsmitglieder dringen auf schnelle Entscheidungen. Rösler zeigt sich kämpferisch. Kubicki erwartet sechs Prozent in Niedersachsen.

Berlin. FDP-Chef Philipp Rösler droht selbst bei einem guten Abschneiden der Liberalen bei der Niedersachsenwahl ein Scherbengericht. Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki machte am Donnerstag deutlich, dass Rösler bei einem Erfolg seines Heimatverbandes nicht automatisch der wichtigste Mann für die Bundestagswahl sein wird. „Die Frage, wer führt die FDP in die Bundestagswahl, die entscheiden wir in den nächsten Wochen in Ruhe und Gelassenheit“, sagte der schleswig-holsteinische Fraktionschef der Nachrichtenagentur Reuters.

Auch von anderer Stelle aus der Parteiführung war zu hören, es werde unabhängig vom Ergebnis eine Debatte über Rösler geben. Wie bisher könne es nicht bleiben. Vermutet wird, dass der Parteivorsitzende kurz nach der Wahl selbst einen Vorschlag macht, wie es weitergehen soll.

Kubicki sagte, der Partei müsse daran gelegen sein, angesichts der miserablen Umfragewerte im Bund eine optimale Aufstellung zu finden. Daher sei die Diskussion darüber mit dem Wahltag in Niedersachsen nicht zu Ende. Die Frage, ob Rösler Vorsitzender bleibe oder nicht, habe mit dem Ausgang der Landtagswahl nichts zu tun.

Die Abstimmung in seinem Heimat-Bundesland gilt als Schicksalswahl für Rösler. Wenn die FDP den Einzug in den Landtag verpasst, gilt er als nicht mehr tragbar. Inzwischen haben die Liberalen in Umfragen aber die Fünf-Prozent-Marke erklommen, was unter den Wahlkämpfern einen enormen Motivationsschub ausgelöst hat. Aus Röslers Umfeld war in den vergangenen Tagen zu hören, ein gutes Ergebnis werde ihn als Vorsitzenden stärken.

Dagegen herrscht in weiten Teilen der Partei großer Unmut darüber, dass Rösler in 20 Monaten keinen Stimmungsumschwung herbeiführen konnte und die Partei im Bund beharrlich unter fünf Prozent liegt. Viele halten ihn daher nicht für das geeignete Aushängeschild im Bundestagswahlkampf. Kritisch zu Wort gemeldet hatten sich etwa Entwicklungsminister Dirk Niebel, Bundestags-Vizepräsident Hermann Otto Solms und Ex-Parteichef Wolfgang Gerhardt.

„Es kann nicht sein, dass wir am Ende sagen, wir haben ein Top-Ergebnis, und nun bleibt alles so wie bisher“, hieß es aus der Parteiführung. Auch Spiegel Online berichtete von ähnlichen Befürchtungen führender Liberaler. Eine Hoffnung sei, dass Rösler nach der Niedersachsenwahl selbst ankündige, beim Parteitag in Nürnberg nicht mehr zu kandidieren. Zudem könne er die Gremien bitten, das für Anfang Mai geplante Delegiertentreffen vorzuziehen. Rösler könne sich bei diesem Modell auf sein Amt als Wirtschaftsminister konzentrieren.

In einem Interview der Zeitung „Die Welt“ hatte Rösler in dieser Woche einen vorgezogenen Parteitag nicht mehr ausgeschlossen und gesagt: „Diese Frage beantworten wir, wenn es an der Zeit ist, und das ist nach der Niedersachenwahl.“

Kubicki sagte, er bedauere sehr, dass die Umfragen für die FDP im Bund seit mehr als 20 Monaten bei fünf Prozent oder darunter lägen. Dies lasse ihn aber nicht an einem herausragend guten Ergebnis in Niedersachsen zweifeln. Je näher der Wahltag rücke, desto mehr differenzierten die Menschen zwischen dem, was in Berlin und in Niedersachsen passiere.

Kubicki und sein schleswig-holsteinischer Landesverband haben bei Personalentscheidungen erheblichen Einfluss. Röslers Zukunft hängt darüber hinaus von den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen ab.

Der Vorsitzende gab sich indes bei einer Wahlkampfveranstaltung am Mittwochabend in Northeim siegesgewiss. Anders als Kubicki lehnt es Rösler aber ab, Zahlen zu nennen. „Wir werben nicht mit Prozentzahlen“, sagte er der „Oldenburgischen Volkszeitung“. Bei der Wahl gehe es zudem nicht um ihn, sondern um Niedersachsen.