Der Vize-Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums bekräftigt seine Aussage Augstein habe „die Grenze zum Antisemitismus überschritten“.

Berlin. Im Streit um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Journalisten Jakob Augstein sind die Fronten verhärtet. Der Vize-Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Abraham Cooper, sagte in einem am Sonnabend veröffentlichten Interview bei „Zeit Online“, Augstein habe „wiederholt die Grenze zum Antisemitismus überschritten“. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ betonte er, solange Augstein sich nicht „bei den deutschen Lesern und dem jüdischen Volk“ für seine „antisemitischen Verleumdungen“ in seiner „Spiegel Online“-Kolumne entschuldige, werde es zu keinem Austausch kommen. Augstein selbst wies in der Zeitung den Vorwurf zurück, er übe einseitig Kritik an Israel. Dass Israel von seinen Nachbarn bedroht werde, sei offensichtlich und das habe er auch so geschrieben, zitiert ihn das Blatt in einer Vorabmeldung.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum, das über den Holocaust aufklärt, hatte den Verleger der Wochenzeitung „Der Freitag“ auf Platz neun eines Rankings der schlimmsten Judenfeinde gesetzt. Vom Zentralrat der Juden in Deutschland kam zwar scharfe Kritik an Augsteins Ansichten. Doch Präsident Dieter Graumann sagte dem „Focus“, Augstein gehöre nicht auf die Antisemiten-Liste.

Cooper sagte auf „Zeit Online“, Augstein habe übertrieben, indem er jüdische Gruppierungen in dem Text für „Spiegel Online“ mit islamistischen Fundamentalisten gleichsetze. In dem Beitrag heißt es über die tiefreligiöse Gruppierung der Haredim: „Diese Leute sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihre islamistischen Gegner. Sie folgen dem Gesetz der Rache.“

„Mit dem Fingerspitzengefühl eines Bulldozers“

Cooper hielt bei „Zeit Online“ dagegen: „Bringt Herr Augstein irgendeinen Beweis dafür, dass die Gemeinschaft der Haredim Selbstmordattentäter unterstützt, lehrt, bezahlt, trainiert oder für sie predigt?“ Der Rabbiner mahnte den Verleger, dass er als Journalist keinen Freifahrtschein habe, nur weil er einen Presseausweis besitze. Graumann äußerte sich zwar deutlich milder. Doch auch er warf Augstein vor, mit seinen Artikeln zu einer anti-israelischen Atmosphäre beizutragen. Er reite in seinen Beiträgen zu Israel auf der Welle des Populismus. Zudem schreibe Augstein über den jüdischen Staat „mit dem Fingerspitzengefühl eines Bulldozers“.

Auch andere bekannte deutsche Juden wie Zentralrats-Vize Salomon Korn und der Moderator Michel Friedman hatten den Sohn des „Spiegel“-Gründers Rudolf Augstein verteidigt, im selben Atemzug aber dessen Einstellung zu Israel kritisiert. Der Journalist Henryk M. Broder bekräftigte derweil seine Vorwürfe gegen Augstein. Das „Lupenreine an Augsteins Antisemitismus“ sei „die absolute Eins-zu-Eins-Übertragung von allem, was früher über die Juden gesagt wurde, auf Israel“, sagte Broder der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Augstein entspreche dem modernen Typus des Antisemiten, welcher der relevante sei. „Mich interessiert nicht der letzte Holocaust“, sagte Broder, „sondern der mögliche nächste, dem mit Texten wie denen von Augstein der Weg geebnet wird.“

Augstein wiederum sagte der Zeitung über Broder, dieser sei ein „Stalker“. Er sei zwar entzückend, lustig, reizend. „Das Problem ist nur: Er spinnt. Und in diesem Fall hat das Spinnen einen Grad erreicht, wo der Spaß aufhört“, sagte Augstein. Die jüdische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Los Angeles berief sich in ihrer Beurteilung auch auf den Kolumnisten Broder.