Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert die Standesverbände auf, Fehlverhalten zu ahnden.

Berlin. In der Debatte um die Bestechlichkeit von Ärzten fordert Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Standesverbände auf, Fehlverhalten zu ahnden. Sollte es dabei allerdings ein „erhebliches Vollzugsdefizit“ geben, werde die Bundesregierung über gesetzliche Regelungen zur Ärztekorruption nachdenken müssen, sagte die Ministerin am Donnerstag. Derweil wehren sich Spitzenfunktionäre der Mediziner gegen die Vorwürfe. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, warf den Krankenkassen „schieren Populismus“ vor. Einem Pressebericht zufolge sollen die Ärztekammern in den vergangenen Jahren mehr als 500 Ärzte wegen Bestechlichkeit und Vorteilsannahme bestraft haben.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Freitagausgabe): „Die Ärzte sind nun in der Pflicht, das Vertrauen der Patienten wieder herzustellen.“ Das ärztliche Standesrecht gebe die Möglichkeit, harte berufs- und kassenrechtliche Sanktionen auszusprechen. „Wenn sich aber Hinweise auf ein erhebliches Vollzugsdefizit des verpflichtenden Standesrechts verdichten, wird die Bundesregierung über gesetzliche Regelungen zur Ärztekorruption nachdenken müssen“, sagte sie.

Montgomery sagte, nur sehr wenige Ärzte seien wirklich bestechlich. „Es wird ja immer nur mit Dunkelziffern, mit Vermutungen, mit Schätzungen argumentiert“, kritisierte der Kammerpräsident im ARD-„Morgenmagazin“. Die allerwenigsten Fälle würden einen Strafrahmen von drei Jahren Gefängnis rechtfertigen, wie ihn der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) fordere. Wenn Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) jetzt das Berufsrecht schärfen und der Ärzteschaft mehr Ermittlungskompetenz geben möchte, begrüße er das.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, sagte in der ARD: „Wir wissen, dass eine kleine Gruppe von Ärzten leider korrupt ist. Und die haben derzeit Straffreiheit. Das kann nicht gehen, wir sind ja nicht in einer Bananenrepublik. Und die FDP hat sich schützend vor diese Ärzte gestellt.“

CDU-Experte will Mediziner an den Pranger stellen

Eine öffentliche Ächtung korrupter Ärzte verlangte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Die Zahl der schwarzen Schafe unter den Medizinern sei schwer zu schätzen, sagte er der ARD. Es werde sicherlich „tausendfach“ Miete dafür gezahlt, dass jemand Orthopädie- oder Zahntechnik in der Praxis ausstellen dürfe und er dann Patienten zugewiesen bekomme.

Der Hartmannbund zeigte sich bereit zu Gesprächen über ein Antikorruptionsgesetz. „Über ein Gesetz, das Bestechlichkeit bei niedergelassenen Ärzten unter Strafe stellt, kann man sicher nachdenken“, sagte Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Bundes, der bundesweit 60.000 niedergelassene und angestellte Ärzte vertritt, der „Rheinischen Post“.

„Wir entdecken die Schummeleien“

Zu dem jetzt an der Universitätsklinik in Leipzig aufgedeckten Organspendeskandal sagte Montgomery: „Unsere Kontrollmechanismen finden die Probleme – wir entdecken die Schummeleien.“ Seitdem 2012 diese Mechanismen bekannt geworden seien, hätten die Manipulationen schlagartig aufgehört. „Ich kann deshalb mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die Transplantationsmedizin in Deutschland im Moment so sicher ist, wie sie noch nie war“, betonte Montgomery.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass in Leipzig zwischen 2010 und 2012 Akten von etwa 40 Patienten manipuliert worden waren. Die Leberkranken wurden fälschlicherweise als Dialyse-Patienten geführt, was sie auf der Warteliste für Spenderorgane nach oben rutschen ließ.

Zeitung: Mehr als 500 Ärzte wegen Bestechlichkeit belangt

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Freitagausgabe) berichtete, die Ärztekammern in Deutschland hätten in den vergangenen Jahren mehr als 500 Ärzte wegen Bestechlichkeit und Vorteilsannahme nach dem Berufsrecht bestraft. Allein im Jahr 2011 seien zudem 40 Approbationen entzogen worden oder sie ruhten, schrieb das Blatt unter Berufung auf Informationen aus der Bundesärztekammer sowie dem Bundesjustizamt. Diese Fälle bezögen sich aber nicht ausschließlich auf Fälle wegen Korruption, sondern dürften „eher andere Verfehlungen betreffen“. Neben einer Vielzahl von Rügen und Ermahnungen seien auch Geldstrafen ausgesprochen worden.