Das Prinzip der Gewaltenteilung ist für Mohammed Mursi eine lästige Randerscheinung der Demokratie. Seine Gegner sind schockiert.

Kairo. Nach monatelangem Machtkampf hat Ägyptens islamistischer Präsident Mohammed Mursi die Befugnisse der Justiz drastisch eingeschränkt. Damit will er nach Einschätzung von Experten sicherstellen, dass die Richter die Islamisten bei ihrem Marsch durch die Institutionen nicht behindern. Es blieb zunächst unklar, ob Mursi damit durchkommen wird. Am Donnerstagabend brach ein Sturm der Entrüstung unter Linken und Liberalen los.

Der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei sagte, die Revolution sei damit abgewürgt worden. Mursi habe sich selbst zum „Herrscher auf Befehl Gottes“ ernannt. „Wir wollen keinen neuen Diktator“, erklärte die Publizistin Mona al-Tahawi. „Die Revolution akzeptiert keinen neuen Diktator“, zitierte der TV-Sender Al-Arabija den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Hamdien Sabahi.

Mursi hatte zuvor dem Verfassungsgericht die Kompetenz abgesprochen, über die Rechtmäßigkeit des von Islamisten dominierten Verfassungskomitees zu entscheiden. Zugleich gab er sich selbst das letzte Wort in praktisch allen politischen Fragen.

In der neuen Verfassungserklärung des Präsidenten, die sein Sprecher Jassir Ali im staatlichen Fernsehen vortrug, heißt es: „Kein Justizorgan hat das Recht, das Verfassungskomitee oder den Schura-Rat (die zweite Parlamentskammer) aufzulösen.“ Die Umsetzung der Entscheidungen des Präsidenten dürften von keinem Gericht behindert werden. Damit seien alle von der Justiz bisher für ungültig erklärten Dekrete Mursis wieder wirksam.

Fast alle liberalen Mitglieder haben das Verfassungskomitee inzwischen verlassen. Sie wollen damit gegen die aus ihrer Sicht mangelnde Kompromissbereitschaft der Islamisten protestieren. Die Muslimbrüder und die radikal-islamischen Salafisten wollen eine Verfassung, die sich an der Scharia orientiert und den Religionsgelehrten mehr Macht im Gesetzgebungsprozess gibt.

Beim Verfassungsgericht ist derzeit ein Verfahren anhängig, in dem geklärt werden soll, ob das Verfassungskomitee möglicherweise illegal ist. Denn das Komitee war von den Abgeordneten eines Parlaments ins Leben gerufen worden, das inzwischen aufgelöst wurde.

In einem Rutsch entledigte sich Mursi, der seine politische Heimat in der Muslimbruderschaft hat, nun auch des Generalstaatsanwaltes, der ihm in den vergangenen Monaten mehrfach Paroli geboten hatte. Er schickte Abdel Megid Mahmud in den Ruhestand und ernannte Talat Ibrahim Abdullah zu seinem Nachfolger. Um seine Kritiker in den Reihen der sogenannten „Revolutionsjugend“ zu besänftigen, verfügte Mursi außerdem, dass alle Prozesse wegen der Tötung von Demonstranten bei den Protesten gegen Mubarak 2011 wieder aufgerollt werden.

Mehrere liberale und linke Parteien haben für diesen Freitag zu einer Demonstration gegen die Regierung und die Muslimbrüder in Kairo aufgerufen. Der ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, rief die liberalen Parteien zu einer Krisensitzung zusammen. „Die Mehrheit der einfachen Ägypter, deren Leben sich durch die Entscheidungen des Präsidenten ändern wird, werden ihn unterstützen.“, erwiderte die Muslimbruderschaft am Abend über den Kurznachrichtendienst Twitter.