Die Grünen-Vorsitzende ist mit einem starken Ergebnis im Amt bestätigt worden. Auch Cem Özdemir wurde als Grünen-Chef wiedergewählt.

Hannover. Trost und Ermutigung für Claudia Roth nach ihrer derben Schlappe bei der Grünen-Urwahl: Die 57-Jährige bleibt für weitere zwei Jahre Bundesvorsitzende. Sie erhielt am Sonnabend auf dem Parteitag in Hannover 88,5 Prozent der Stimmen, weit mehr als die 79,3 Prozent bei der letzten Wahl vor zwei Jahren. Im Amt bestätigt wurde auch Roths Ko-Vorsitzender Cem Özdemir. Neu aufgerückt in die Führung ist Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, die nun dem Parteirat angehört.

Vor allem Roths Wahlergebnis wurde mit großer Spannung erwartet, denn bei der Urwahl der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl hatte sie vergangene Woche nur 26,2 Prozent der Basis-Stimmen erhalten. Sie selbst sprach von einer „Klatsche“, ihr Rücktritt stand im Raum, doch dann kandidierte sie wieder.

Roth warb mit einer leidenschaftlichen Rede um die Zustimmung der knapp 800 Delegierten. Sie habe in der vergangenen Woche „Stunden mit Schatten“ und einen „inneren Sturm“ durchlebt, doch sei die Trauerzeit nun vorbei. Ab sofort gehe es nicht um ihre Person, sondern um die Ablösung der schwarz-gelben Regierung unter Angela Merkel (CDU) und um die Geschlossenheit der Partei.

Roth stellte den Delegierten offen die Vertrauensfrage. „Ihr müsst beantworten, ob ich die Richtige bin – so wie ich bin, mit Ecken und Kanten“, sagte Roth. Denn verändern wolle sie sich nicht. „Was ich Euch anbieten kann, ist eine Bundesvorsitzende, die sich voll reinhängt.“ Nach Roths Rede brach ein Begeisterungssturm in der Tagungshalle aus.

Roth ist mit zweijähriger Unterbrechung seit 2001 Parteichefin. Der dreitägige Parteitag steht unter dem Motto „Zusammen hält besser“. Er soll den Startschuss für den Bundestagswahlkampf geben.

Özdemir wurde mit 83,29 Prozent Zustimmung im Amt bestätigt. Der 46-jährige Realpolitiker führt die Grünen seit November 2008 gemeinsam mit Roth, die dem linken Flügel der Partei zugerechnet wird.

Özdemir hatte wie Roth keinen Gegenkandidaten. Bei der letzten Bundesvorstandswahl vor zwei Jahren war er mit 88,5 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden.

In seiner Bewerbungsrede sagte Özdemir, die Grünen wollten bei der Bundestagswahl Wähler ansprechen, die von Union und FDP enttäuscht seien. „Wir sind eine Partei links der Mitte mit klaren Werten und Grundsätzen.“ Eines seiner persönlichen Ziele sei es, bei der Bundestagswahl ein Direktmandat in Stuttgart zu erringen.

SPD-Chef Gabriel gratulierte Roth und Özdemir und bekräftigte den Wunsch der Sozialdemokraten, nach der Bundestagswahl ein rot-grünes Bündnis zu schmieden.

Wiedergewählt wurde auch Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Am Abend wurden auch die übrigen Posten im sechsköpfigen Bundesvorstand besetzt. Im Amt bleiben damit Schatzmeister Benedikt Mayer sowie die Beisitzer Astrid Rothe-Beinlich und Malte Spitz.

Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt zog mit einer Zustimmung von 72 Prozent in den Parteirat ein. Für 13 Posten in dem Beratergremium kandidierten 16 Bewerber, darunter auch Fraktionschef Jürgen Trittin.

Der Parteitag beschloss auch einen Katalog, der tiefgreifende Sozialreformen fordert. Dazu gehören ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro und die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze von 374 auf 420 Euro. Zudem soll es den Jobcentern bis auf weiteres verboten werden, Arbeitslosen die Hartz-Bezüge zu kürzen.

Gefordert wird zudem eine steuerfinanzierte „Garantierente“ im Kampf gegen Altersarmut. Sie soll allen gezahlt werden, die dem Arbeitsmarkt mehr als 30 Jahre zur Verfügung gestanden oder Kinder betreut haben. An der schrittweisen Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre wollen die Grünen aber grundsätzlich nicht rütteln.

Langfristig streben die Grünen eine Grundsicherung von 300 Euro im Monat für jedes Kind an, die alle Familienleistungen in sich vereinen soll, wie etwa Kindergeld oder Hartz-Leistungen für Kinder.

Zudem will die Partei den Spitzensatz der Einkommensteuer von 42 auf 49 Prozent erhöhen. Millionäre sollen befristet eine Vermögensabgabe zahlen, und das Aufkommen der Erbschaftsteuer soll verdoppelt werden.