„Es ist in Deutschland nicht besser, sondern schlechter geworden“, sagte der frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Rassisten und Antisemiten agierten lauter und sichtbarer als früher. „Es hat eine Enthemmung in der Mitte der Gesellschaft stattgefunden“, beklagte der Fernsehmoderator.

Köln. Rassismus und Antisemitismus haben nach Einschätzung des jüdischen Publizisten Michel Friedman in den vergangenen 20 Jahren zugenommen. „Es ist in Deutschland nicht besser, sondern schlechter geworden“, sagte der frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitagsausgabe). Rassisten und Antisemiten agierten lauter und sichtbarer als früher. „Es hat eine Enthemmung in der Mitte der Gesellschaft stattgefunden“, beklagte der Fernsehmoderator.

Er verwies vor allem auf die Gewalt der rechtsextremen Terrorzelle NSU, bei der Sicherheitsorgane „teils mitgemischt“ und Taten vertuscht hätten. „Obwohl ich mir im Bereich rechte Gewalt vieles vorstellen konnte – ein solcher Offenbarungseid von Polizei und Verfassungsschutz war für mich vor dem NSU-Terror unvorstellbar“, sagte Friedman. Zugleich gebe es einen „Salon-Antisemitismus“, fügte er hinzu und warf den Schriftstellern Martin Walser und Günter Grass „Pamphlete in Rede- oder Gedichtform“ vor.

Friedman lobte das Engagement der Künstler, die 20 Jahre nach dem „Arsch-huh“-Konzert gegen Rassismus und Neonazismus mit 100.000 Menschen in Köln am Freitag erneut bei einem großen Open-Air-Konzert in der Domstadt auftreten wollten. Eine Neuauflage des legendären Konzerts reiche aber zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht aus: „Alle Konzerte dieser Welt ersetzen nicht die persönliche und direkte Abwehr des millionenfachen, kleinen Alltagsrassismus“, sagte Friedman.

Anlass des Konzerts vom 9. November 1992 unter dem Motto „Arsch huh, Zäng ussenander“ („Hintern hoch, Zähne auseinander“) war eine Welle ausländerfeindlicher Gewalttaten wie der Brandanschlag auf ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter in Rostock-Lichtenhagen. Bei der Neuauflage sollten am Freitag unter der Schirmherrschaft von WDR-Intendantin Monika Piel und dem Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) am Kölner Rheinufer erneut lokale Musikgrößen auftreten, darunter die Bands BAP und Bläck Fööss.