Die Bundesnetzagentur rechnet mit einem Strompreisanstieg zur Jahreswende. Wird Strom somit für viele Menschen unbezahlbar?

München (dapd). Steigende Preise drohen Strom für viele Menschen in Deutschland unbezahlbar zu machen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte am Dienstag, ohne Ausgleich für die anstehenden Preisschübe werde die Zahl der Stromnotfälle unter Niedriglohnbeziehern oder Hartz-IV-Empfängern „explodieren“. Auch der Berliner Senat warnte vor „Energiearmut“ und kündigte an, die Landesregierung werde sich für eine Minderung der Lasten einsetzen.

Angefacht wurden die Befürchtungen durch Äußerungen des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, der bereits zum Jahreswechsel mit einem spürbaren Preisschub beim Strom rechnet. „Die Ökostromumlage wird für 2013 wohl über fünf Cent liegen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstagausgabe). Nach 3,6 Cent in diesem Jahr wäre das ein Anstieg um rund 50 Prozent. Auf einen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden kämen damit zusätzliche Kosten von mehr als 50 Euro jährlich zu. Weitere Preisschübe erwartet Homann in Zukunft durch steigende Netzentgelte.

Die Bundesregierung will durch einen Ausbau der Energieberatung gegensteuern. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) gab nach einem Stromspargipfel mit verschiedenen Verbänden am Dienstag in Berlin das Ziel aus, künftig mindestens doppelt so viele einkommensschwache Haushalte für eine Energieberatung zu gewinnen wie bisher. Die Angebote sollten „in aller Regel kostenlos sein“.

Altmaier hält an Strompreis-Privilegien der Industrie fest

Bei Sozialverbänden stieß die Idee allerdings auf wenig Begeisterung. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, nannte es im „Hamburger Abendblatt“ (Dienstagausgabe) „naiv, die wachsende Armut durch steigende Energiekosten allein mit kostenlosen Energiespar-Beratungsangeboten lösen zu wollen“.

Der Energieexperte Uwe Leprich und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, forderten eine Beschneidung der Strompreis-Privilegien für energieintensive Betriebe, um die Verbraucher zu entlasten. Mittlerweile sei unter Verweis auf die globale Wettbewerbsfähigkeit rund die Hälfte des Stromverbrauchs der Industrie ganz oder teilweise von der Ökostrom-Umlage gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) befreit, sagte der Saarbrücker Wirtschaftswissenschaftler im Deutschlandradio Kultur. „Das kann man nicht mehr mit Wettbewerbsgründen rechtfertigen. Diese Regelung ist deutlich über das Ufer getreten.“

Die Bundesregierung will die umstrittenen Strompreis-Erleichterungen für energieintensive Betriebe aber nicht abschaffen. Die Regelungen seien „im Prinzip nach wie vor richtig, weil wir erreichen wollen, dass die Energiewende Deutschland auch auf dem internationalen Wettbewerb stärkt und nicht schwächer werden lässt“, sagte Minister Altmaier. Für ihn sei die Unterstützung von Wirtschaftszweigen wie der Aluminium-, Stahl- und Kunststoffindustrie entscheidend.

Der CDU-Wirtschaftsrat bekräftigte unterdessen die Forderung nach einer grundlegenden Reform des EEG. Die aktuelle Regelung zur Förderung von Wind- und Sonnenenergie sei „volkswirtschaftlicher Irrsinn“. Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte eine Änderung des Gesetzes.