Nach 18 Jahren als Ministerpräsident kündigt Kurt Beck seinen Rückzug an – Nürburgring als Schatten über einer erfolgreichen Amtsbilanz

Mainz. Jetzt also doch: Der dienstälteste Ministerpräsident der Republik, der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD), gibt nach 18 Jahren die Macht ab. Seit Monaten wurde darüber spekuliert, noch vor vier Wochen hatte die rot-grüne Koalition im Mainzer Landtag ein Misstrauensvotum der CDU-Opposition wegen der Nürburgring-Affäre einstimmig zurückgewiesen. Dass ihn das Misstrauensvotum dennoch persönlich tief getroffen hat, daraus hat Beck selbst keinen Hehl gemacht. Klar war aber auch: Aus dem Amt treiben lassen, wie 2008 als SPD-Parteichef, würde sich der 63-Jährige nicht noch einmal.

Insofern hat die CDU Beck mit ihrem Misstrauensvotum in gewisser Weise das Heft des Handelns zurückgegeben. Mit der einstimmigen Bestätigung der rot-grünen Koalition im Rücken kann Beck nun seinen Rückzug autonom einleiten und seine Nachfolge regeln.

Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen

Offizieller Grund für den Rücktritt sind – wie erwartet - gesundheitliche Probleme. Schon lange hatte Beck bei jeder seiner Beteuerungen, bis 2016 weiter machen zu wollen, den Halbsatz nachgeschoben: Soweit es die Gesundheit erlaubt. Er habe „ein erhebliches Problem mit der Bauchspeicheldrüse“, weswegen er sich im kommenden Februar einem längeren Krankenhausaufenthalt mit anschließender Kur unterziehen müsse, sagte Beck nun am Freitagabend.

Anfang Januar soll deshalb Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) Beck als Ministerpräsidentin beerben. Bereits auf dem Parteitag am 10. November will er den SPD-Landesvorsitz an Innenminister Roger Lewentz abgeben – der bislang eigentlich für beide Ämter gehandelt worden war.

Ministerpräsident seit 1994

In die Politik war der Sohn eines Maurermeisters aus dem südpfälzischen Steinfeld 1979 gekommen. Der spätere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) sprach den Gewerkschafter und gelernten Elektromechaniker an, ob er nicht für den Landtag kandidieren wolle. Nach der Wahl 1991, als Rudolph Scharping erster SPD-Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz wurde, stieg Beck zum SPD-Fraktionsvorsitzenden auf. Und als Scharping im Oktober 1994 nach Bonn ging, wurde Beck Ministerpräsident.

Seitdem hat er das einstige „Land der Reben und Rüben“ grundlegend verändert. Beck etablierte moderne Wirtschaftszweige, baute die Universitäten aus, machte Kindergärten kostenlos und stellte früh die Weichen für Ganztagsschulen. „Nah bei de Leut“ lautet sein Motto, die Rheinland-Pfälzer lieben ihn dafür; im Spitznamen „König Kurt“ schwingt immer auch Anerkennung mit.

Absolute Mehrheit und SPD-Bundesvorsitz 2006

Den Höhepunkt seiner Macht erreichte Beck im Jahr 2006: Bei der Landtagswahl Ende März erreichte die SPD, die bis dahin mit den Liberalen koaliert hatte, die absolute Mehrheit der Mandate. Vor einem solchen Erfolg konnte sich auch die Bundes-SPD nicht verschließen: Nach dem Rücktritt von Matthias Platzeck war schnell klar, dass nur der Pfälzer neuer Bundesparteichef werden konnte. Noch im April übernahm Beck das Amt kommissarisch, auf einem Parteitag am 14. Mai wurde er gewählt.

Zu Beginn schien es so, als könne Beck mit seinem pragmatischen und integrierenden Politikstil auch auf der Bundesebene Erfolg haben. Die Arbeit am Grundsatzprogramm der SPD wurde wieder aufgenommen, die SPD durch Korrekturen an der „Agenda 2010“ mit der Schröder'schen Reformpolitik versöhnt.

Doch Beck wurde mit dem ganzen Berliner Polit-Kosmos nicht warm. In der Hauptstadt wurde der Pfälzer als der tumbe Provinzler mit dem komischen Haarschnitt wahrgenommen. Kein Wochenende, an dem nicht irgendwelche Heckenschützen aus der eigenen Partei neue Peinlichkeiten an die Presse durchsteckten.

Rücktritt als SPD-Chef am Schwielowsee

Das Ende war für Beck gekommen, als auch die Kanzlerkandidatur Frank-Walter Steinmeiers für die Wahl 2009 an ihm als Parteivorsitzenden vorbei an die Presse lanciert wurde. Auf einer Parteiklausur am 7. September 2008 am brandenburgischen Schwielowsee erklärte Beck seinen Rückzug vom SPD-Bundesvorsitz.

Zu Hause in Mainz wurde er von der SPD begeistert empfangen. Doch die Probleme folgten schon bald. Das gescheiterte Großprojekt Nürburgring wirft zum Ende von Becks 18-jähriger Regierungszeit einen Schatten auf seine ansonsten erfolgreiche Bilanz.

Eigentlich als Infrastrukturprojekt für die Eifel gedacht, hatte die damalige SPD-Alleinregierung für 330 Millionen Euro einen Freizeitpark an die Rennstrecke in der Eifel bauen lassen, der von Anfang an nur für Negativschlagzeilen sorgte. Die ursprünglich geplante private Finanzierung des Projekts scheiterte nur zwei Tage vor der Eröffnung im Juli 2009, weil man sich mit windigen Finanzjongleuren eingelassen hatte, eine 2010 verkündete Neuordnung der Geschäfte am Ring rettete zwar die SPD über die Wahl, nicht aber die staatliche Nürburgring GmbH vor der Pleite.

Im Landtag hat sich Beck für das Desaster zwar entschuldigt, zurücktreten wollte er deshalb aber nicht. Auch am Freitagabend betonte er noch einmal fast trotzig, dass der Nürburgring nichts mit seinem Rückzug zu tun habe, im Gegenteil: „Wenn das noch akuter gewesen wäre, hätte ich vielleicht sogar dazu geneigt, mich noch eine Weile länger über die Runden zu quälen.“