Radikale Islamisten töten in Libyen den US-Botschafter. In Kairo sprühen sie den Namen von Osama bin Laden an die Wand der US-Vertretung. Auslöser für die Gewalt ist ein angeblich islamfeindlicher Film.

Tripolis/Kairo. Ein Jahr nach den blutigen Protesten wegen einer Koran-Verbrennung versetzt ein angeblich islamfeindlicher Film erneut Muslime in Aufruhr. Bei einem Angriff auf das US-Konsulat in der libyschen Hafenstadt Bengasi wurden der US-Botschafter Chris Stevens sowie drei weitere Diplomaten getötet, wie das libysche Innenministerium am Mittwoch bestätigte. In Kairo erstürmten Gläubige die US-Botschaft. US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr deutscher Amtskollege Guido Westerwelle (FDP) verurteilten die Gewalt.

Terrorismusexperten erwarten weltweit weitere Ausschreitungen. Die höchste Gefahr drohe in Ländern mit militanten islamischen Rebellengruppen, teilte das auf die Beobachtung terroristischer Aktivitäten spezialisierte IntelCenter am Dienstag in Alexandria bei Washington mit.

Unmittelbarer Auslöser für die neuen Gewaltaktionen ist ein auf YouTube veröffentlichter Trailer für einen angeblich islamfeindlichen Film. In der 14 Minuten langen Vorschau werde der Prophet Mohammed als Trottel, Frauenheld, Homosexueller, Kinderschänder sowie gieriger und blutdürstiger Gangster dargestellt, berichtete die „New York Times“. Im Islam ist die Darstellung Gottes oder des Propheten Mohammed verboten.

Autor, Regisseur und Produzent des Films ist nach Informationen des „Wall Street Journals“ Sam Bacile. Der 52-Jährige habe sowohl die israelische als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Für den rund zwei Stunden langen Film habe er fünf Millionen Dollar (3,9 Millionen Euro) von rund 100 jüdischen Spendern eingesammelt. Bacile wolle seine Sicht zeigen, dass der Islam eine hasserfüllte Religion sei, zitiert das Blatt aus einem Telefoninterview. „Islam ist wie Krebs“, sagte Bacile demnach.

Der Trailer war nach Angaben des „Wall Street Journal“ seit Juli auf YouTube. Aufmerksamkeit habe die Filmvorschau erregt, seit sich der als Koranhasser bekanntgewordene Pastor Terry Jones aus Florida für den Film eingesetzt habe. Eine Koran-Verbrennung in der Kirche von Jones hatte im März vergangenen Jahres gewalttätige Proteste von Muslimen ausgelöst. In Afghanistan starben sieben UN-Mitarbeiter.

Mehrere christliche Gemeinden in Ägypten distanzierten sich am Mittwoch von dem Film. Zuvor war in lokalen Medien berichtet worden, koptische Christen aus Ägypten, die in die USA ausgewandert waren, seien an der Produktion beteiligt gewesen. Ein koptischer TV-Sender berichtete, in dem Film tauchten zwar Schauspieler auf, die arabisch mit ägyptischem Akzent sprechen. Es handele sich jedoch bei diesen nicht um Kopten aus den USA.

Liberale Ägypter zeigten sich derweil schockiert von den Ausschreitungen vor der US-Botschaft in Kairo. Radikale Islamisten hatten den Namen des getöteten Al-Kaida-Anführers Osama bin Laden an die Mauer vor der Botschaft gesprüht – am Jahrestag der Flugzeugattentate vom 11. September 2001. Vertreter der Muslimbruderschaft äußerten dagegen vor allem Kritik an dem Film.

Die protestierenden Männer in Kairo hatten unter anderem gerufen: „Wir sind alle Abu Jahja al-Libi“. Der Nachfolger von Bin Laden an der Spitze des Al-Kaida-Netzwerkes, der Ägypter Eiman al-Sawahiri, hatte am Dienstag eine Video-Botschaft veröffentlicht, in der er den Tod des Al-Kaida-Top-Terroristen Al-Libi bei einem US-Drohnenangriff in diesem Sommer bestätigte.

In Libyen hatten Islamisten in der Nacht zum Mittwoch das US-Konsulat in Bengasi mit Panzerfäusten und Brandbomben angegriffen. Der US-Botschafter, der sich zu einem Besuch des Konsulats aufgehalten hatte, starb nach arabischen Medienberichten an den Folgen einer Rauchvergiftung. Libysche Aktivisten und Politiker äußerten sich entsetzt. Eine Jugendgruppe rief für den Abend zu einer Demonstration gegen Gewalt auf.

US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte: „Die USA missbilligen jeden absichtlichen Angriff auf die religiösen Gefühle von Andersgläubigen.“ Derartige Provokationen könnten jedoch nicht als Rechtfertigung für Gewalt benutzt werden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte die Angriffe ebenfalls. Er sagte: „Ich fordere die Regierungen in Ägypten und in Libyen eindringlich auf, die Sicherheit der Botschaften und Konsulate in ihren Ländern in vollem Umfang zu gewährleisten.“