Führende Grüne Frauen warnten die Männer in ihrer Partei vor einem Vorpreschen. In einer am Donnerstag vorliegenden Erklärung an den Bundesvorstand nehmen zehn Bundestagsabgeordnete die Kollegen aufs Korn: „Dear boys, der bisherige Verlauf der Debatte über die Nominierung unserer SpitzenkandidatInnen für die Bundestagswahl im nächsten Jahr schadet dem Ansehen unserer Partei.“

Berlin. Die Grünen streiten immer heftiger über die Kür ihrer Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013. Führende Grüne Frauen warnten die Männer in ihrer Partei vor einem Vorpreschen. In einer Reuters am Donnerstag vorliegenden Erklärung an den Bundesvorstand nehmen zehn Bundestagsabgeordnete die Kollegen aufs Korn: „Dear boys, der bisherige Verlauf der Debatte über die Nominierung unserer SpitzenkandidatInnen für die Bundestagswahl im nächsten Jahr schadet dem Ansehen unserer Partei.“

Parteichef Cem Özdemir rügte den Streit um Kandidaten als nicht hilfreich. Die Partei habe ein Prozedere zur Kür der Kandidaten beschlossen. „Wenn sich alle daran halten, ihre Arbeit machen oder ihren Urlaub zur Erholung nutzen, ist der Partei jedenfalls wesentlich mehr geholfen“, mahnte Özdemir. Der Fahrplan sieht vor, dass die Grünen mit einer Doppelspitze ihn den Wahlkampf ziehen. Die Bewerber für das Duo müssen bis Ende August feststehen. Sind es mehr als zwei, sollen die Parteimitglieder per Urwahl die Spitzenleute bestimmen.

Die Politikerinnen kündigten in ihrer Erklärung an, sie würden nicht akzeptieren, dass einige Männer glaubten, Personalvorschläge auf Kosten von Frauen machen zu können. Zu den Unterzeichnerinnen gehören die Arbeitsmarkt-Expertin Brigitte Pothmer, die Haushaltspolitikerin Priska Hinz und die Finanz-Fachfrau Kerstin Andreae.

Zu den nicht namentlich genannten Adressaten der Kritik zählt der führende Realo und Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Der hatte zwar vor zwei Wochen die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt und damit eine Frau als Spitzenkandidatin vorgeschlagen. Aber der nicht abgestimmte Vorstoß würde Göring-Eckardt, die sich noch nicht zu ihren Zielen geäußert hat, in eine Kampfkandidatur gegen die Parteivorsitzende Claudia Roth drängen. Eine mögliche Beschädigung der Kandidatinnen wollen die Autorinnen vermeiden.

Nur Roth hat bislang offiziell ihre Kandidatur erklärt. Neben ihr gilt der Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin als gesetzt. Da beide dem linken Flügel der Grünen angehören, wäre bei einem Spitzenduo Roth/Trittin die Machtbalance zwischen Parteilinken und Realos gestört. Dies hatte auch Palmer klargemacht, indem er seinen Personalvorschlag damit begründete, er traue Trittin und Roth nicht zu, bürgerliche Wählermilieus der Mitte zu gewinnen. Da die Co-Fraktionsvorsitzende Renate Künast nach dem Debakel bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus deutlich an Rückhalt bei ihren Realos verloren hat, wollte Palmer offenbar eine personelle Alternative zu Künast ins Spiel bringen. Trittin konterte per Interview mit „Zeit Online“ die These der zu wahrenden Flügel-Arithmetik: „Als Fraktionsvorsitzender definiere ich mich über die Politik, die wir gemeinsam machen und stehe für die ganze Partei.“

Dass Trittin als einzig unangefochtener Bewerber für die Spitzenkandidatur gilt, ärgert offenkundig die Autorinnen des Briefes. „Wir Grünen können froh sein, dass es in unseren Reihen mehrere Frauen gibt, die Spitzenkandidatinnen sein können, während es offenbar nur einen Mann gibt, der dafür im Gespräch ist“, heißt es dort. Dabei hat Trittin noch gar nicht erklärt, ob er sich an die Spitze des Grünen-Wahlkampfes setzen würde.

Die Autorinnen warnen nun davor, das Spitzenduo in Kungelrunden festzulegen: „Personalpolitik in Hinterzimmern führt zu keinen konstruktiven Ergebnissen.“ Autokratische Ausrufungen entsprächen nicht dem grünen Demokratieverständnis. Erwartet werde vom Bundesvorstand ein Personalvorschlag, in dem die Kompetenzen der Frauen berücksichtigt würden.

Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, sekundierte in der „tageszeitung“ vom Freitag. „Ich kann die Intention der Erklärung gut nachvollziehen“, sagte sie dem Blatt laut Vorabbericht. Allerdings ist Lemke selber Beleg dafür, dass es auch zwischen den Grünen-Frauen gewaltig knirschen kann. Grüne Spitzen-Leute berichteten, dass Lemke bei einer Debatte über die Organisation des Wahlkampfes lautstark mit Roth aneinandergeraten sei. Dabei soll Lemke sogar indirekt mit Rücktritt gedroht haben.

(Reuters)