Kommt Vanessas Mörder frei oder in Sicherungsverwahrung? Ein Gutachter hält ihn zwar für gefährlich – will sich aber beim Grad der Gefährlichkeit nicht festlegen.

Augsburg. Bei dem Mörder der zwölfjährigen Vanessa besteht nach Einschätzung eines Gutachters weiterhin die Gefahr schwerster Gewalttaten. „Die Taten sind nicht nur möglich, sondern sie sind wahrscheinlich“, sagte der psychologische Sachverständige Ralph-Michael Schulte am Mittwoch vor dem Augsburger Landgericht im Prozess um die mögliche Sicherungsverwahrung des Täters. Ob aber eine „erhebliche Wahrscheinlichkeit“ für die Taten bestehe, könne er nicht sagen, da er mit dem heute 29-Jährigen nicht gesprochen habe, sagte Schulte. In seinem Gutachten bezog er sich auf frühere Akten und seine Rolle als Zuhörer im Prozess. Der Täter hatte sich nur von einem der insgesamt drei Sachverständigen begutachten lassen.

Im Jahr 2002 hatte der damals 19-Jährige die zwölfjährige Vanessa in Gersthofen bei Augsburg erstochen – verkleidet mit einer Totenkopfmaske. Die Strafe hat er verbüßt. Seit Februar prüft das Gericht, ob er auch zehn Jahre nach der Tat noch hochgradig gefährlich ist und in Sicherungsverwahrung kommt.

Gutachter Schulte sieht bei dem Täter diverse Risikofaktoren. So seien dessen Gewaltfantasien bislang in der Therapie nicht ausreichend bearbeitet worden. Kritisch seien auch die emotionale Instabilität des 29-Jährigen und dessen praktisch nicht vorhandenen sozialen Kontakte außerhalb der Haft. In Freiheit sei damit zu rechnen, dass der Mann immer wieder in Stresssituationen gerate, die schnell zu einer Überforderung führen könnten. Ungünstig auf die Prognose wirke sich auch aus, dass der Täter 2002 ein Zufallsopfer gesucht habe – und das Tatmotiv nie habe geklärt werden können.

Schulte attestierte dem 29-Jährigen daher eine „tiefgehende Persönlichkeitsstörung“. „Ich meine, es ist eine psychische Störung gegeben.“ Ob in Sicherungsverwahrung oder in Freiheit – extrem wichtig ist Schultes Einschätzung nach eine gute Therapie für den Täter. Nur einer der Gutachter – Helmut Kury – hatte mit diesem tatsächlich Gespräche geführt. Darauf basierend sprach er sich für eine Freilassung aus – unter strengen Auflagen.

Harsche Kritik gab es am Gutachten des dritten Sachverständigen, Pantelis Adorf, der bereits am vorangehenden Verhandlungstag seine Schrift verlesen hatte. Verteidiger Adam Ahmed kritisierte diese als mangelhaft und beantragte, Adorf von seinen Pflichten zu entbinden. Es sei „mit Händen zu greifen“, dass der Gutachter ungeeignet sei, sagte er. Auch die Staatsanwaltschaft sah Mängel, pflichtete dem Antrag aber nicht bei. Der Vorsitzende Richter sprach von erheblichem Beratungsbedarf in der Sache. Die Kammer will die Entscheidung am Montag verkünden. An diesem Tag soll auch plädiert werden.

Einen Antrag der Verteidigung, den Täter sofort freizulassen, lehnte die Kammer am Mittwoch klar ab. „Beim gegenwärtigen Erkenntnisstand ist der Unterbringungsbefehl aufrechtzuerhalten“, sagte der Vorsitzende Richter. Wegen einer möglichen Freilassung hatte der Täter zuvor eine elektronische Fußfessel bekommen. (dpa)