Die gemäßigten Islamisten (PJD) gehörten bisher der Opposition an. Erstmals stellen sie mit Abdelilah Benkirane den Regierungschef.

Rabat. Marokko erhält erstmals in der Geschichte des nordafrikanischen Landes einen gemäßigten Islamisten als Ministerpräsidenten. Der Chef der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD), Abdelilah Benkirane, erhielt nach Medienberichten vom Montag eine Einladung von König Mohammed VI. in den Palast. Benkirane hatte sich nach dem Wahlsieg seiner PJD für die Bildung einer Koalitionsregierung mit Parteien der bisherigen Regierung ausgesprochen.

Der Monarch muss nach der neuen marokkanischen Verfassung den Ministerpräsidenten aus den Reihen der PJD ernennen, da diese bei der Wahl am Freitag die meisten Sitze gewann. Die Islamisten hatten bislang in der Opposition gestanden. Der 57-jährige Benkirane kündigte an, seine Partei werde Koalitionsverhandlungen unter anderem mit der konservativ-nationalistischen Unabhängigkeitspartei (Istiqlal) des bisherigen Ministerpräsidenten Abbas al-Fassi und den Sozialisten (USFP) führen.

Die von der PJD geführte Regierung werde außenpolitisch am bisherigen Kurs Rabats festhalten und alle Vereinbarungen Marokkos mit der Europäischen Union und den USA einhalten. Sie wolle den Kampf gegen die Korruption intensivieren, die staatliche Verwaltung straffen und Marokko zu einem Vorbild in der arabischen Welt machen, sagte Benkirane.

Eine Lösung des Konflikts um die Westsahara werde für die neue Regierung die höchste Priorität haben. Die spanische Ex-Kolonie war nach dem Abzug der Spanier größtenteils von Marokko annektiert worden. Rabat betrachtet das Wüstengebiet seither als Teil des marokkanischen Territoriums. Die von Algerien unterstützte Rebellenbewegung Polisario verlangt dagegen die Schaffung eines unabhängigen Staates in der Westsahara.

Die PJD hatte bei der Wahl am Freitag 107 der insgesamt 395 Parlamentssitze gewonnen, 61 mehr als 2007. Istiqlal wurde nach dem offiziellen Ergebnis mit 60 Sitzen die zweitstärkste Kraft. Die Zentrumspartei RNI, die der bisherigen Regierungskoalition angehört hatte, gewann 52 Sitze. Die monarchistische PAM kam auf 47 Sitze, die Sozialisten erhielten 39.

Die gemäßigten Islamisten hatten sich in der Vergangenheit für ein Alkoholverbot stark gemacht und gefordert, dass Marokkos Frauen sich nur auf traditionelle islamische Weise kleiden dürften. In letzter Zeit stellte die PJD jedoch eher den Kampf gegen die Korruption sowie für soziale Gerechtigkeit, mehr Jobs und bessere Wohnungen in den Vordergrund.

Marokko verfügt anders als viele andere Staaten in der arabischen Welt seit Jahrzehnten über ein Mehrparteiensystem. Bei wichtigen Entscheidungen hat jedoch der König das letzte Wort.