Wie weit dürfen Forscher bei der Kommerzialisierung menschlicher embryonaler Stammzellen gehen? Das oberste EU-Gericht hat jetzt ein Grundsatzurteil gesprochen. Es hat Patente auf Erfindungen verboten, bei denen menschliche Embryonen zerstört werden.

Luxemburg/Bonn. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Patente auf Erfindungen verboten, bei denen menschliche Embryonen zerstört werden. Der EuGH urteilte am Dienstag, jede befruchtete menschliche Eizelle müsse gemäß EU-Recht als menschlicher Embryo angesehen werden. Die Richter entschieden in einem Streit um ein Patent des deutschen Stammzellforschers Oliver Brüstle. Gegen das Patent hatte die Umweltorganisation Greenpeace geklagt.

Das Urteil löste ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Vertreter der Bundesregierung, Politiker der Union, die katholische Bischofskonferenz und Greenpeace sprachen von einem wegweisenden Urteil für den Lebensschutz und einem Sieg für die Menschenwürde. Enttäuscht zeigte sich der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle. Der Richterspruch werfe die europäische Stammzellforschung zurück und werde zur Abwanderung von Wissenschaftlern führen.

Der EuGH entschied, eine Erfindung sei dann nicht patentierbar, wenn das darin beschriebene Verfahren die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen oder deren Verwendung als Ausgangsmaterial erfordere. Dabei sei der Begriff des Embryos weit auszulegen. Der Gesetzgeber habe Patente verhindern wollen, die geeignet sein könnten, die Achtung der Menschenwürde zu beeinträchtigen. Der Bundesgerichtshof muss jetzt ein Urteil fällen, das den Vorgaben aus Luxemburg entspricht.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte das Luxemburger Urteil als wichtige Grundsatzentscheidung, die mehr Klarheit und Rechtssicherheit schaffe. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) erklärte, der EuGH stelle klar, „dass wirtschaftliche Interessen nicht über menschlichem Leben stehen. Das ist eine wichtige Orientierung für die Verwertung wissenschaftlicher Arbeit.“ Das Urteil zeige auch, wie richtig der Weg der Bundesregierung gewesen sei, auch auf die Alternative der adulten Stammzellforschung zu setzen.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ingrid Fischbach (CDU), erklärte, das Urteil werde ein Zeichen für die Wissenschaft sein, bei kommenden Forschungsvorhaben den Schutz menschlichen Lebens stärker zu beachten. Auch der CDU-Bioethik-Experte und Europa-Abgeordnete Peter Liese nannte den Richterspruch „gut für die Patienten und gut für die Werte in Europa“. Die Forschung werde sich jetzt stärker in Richtung ethisch vertretbarer Alternativen entwickeln.

Die Deutsche Bischofskonferenz lobte, dass Nein der Richter zur Patentierbarkeit sei „ein deutliches Signal gegen den Machbarkeitswahn des Menschen“. Das Urteil stärke die Auffassung der Kirche, dass dem Embryo vom Zeitpunkt der Befruchtung an die volle Menschenwürde zukomme. Die katholische EU-Bischofskommission COMECE lobte, das Urteil könne ein Anstoß sein, die Forschung in Alternativen zu embryonalen Stammzellen zu intensivieren.

Greenpeace-Patent-Berater Christoph Then sagte, der EuGH habe klar bestätigt, dass der Mensch in allen Phasen seiner Entwicklung vor kommerzieller Verwertung geschützt werden müsse. Damit habe der Gerichtshof den Schutz menschlichen Lebens gegenüber wirtschaftlichen Interessen deutlich gestärkt.

Dagegen sprachen Brüstle und die Leitung der Universität Bonn von einer „unglücklichen Entscheidung“. Durch sie würden „die Früchte jahrelanger transnationaler Forschung europäischer Wissenschaftler in einem Handstreich weggewischt und dem außereuropäischen Ausland überlassen“. Europäische Forscher dürften Grundlagenforschung betreiben, die dann andernorts in medizinische Verfahren umgesetzt werde, „welche letztendlich wieder nach Europa importiert werden. Wie soll ich das meinen Doktoranden erklären?“, so Brüstle.

Mit Material von kna/dpa