1300 Tote in kurzer Zeit und weiter schwere Kämpfe an der Residenz des Diktators. Gaddafi soll schon auf der Flucht sein – mit Ziel Südafrika?

Tripolis/Brüssel. In der libyschen Hauptstadt Tripolis liefern sich Soldaten und Rebellen in der Nähe des Gebäudekomplexes von Staatschef Muammar al-Gaddafi heftige Gefechte. Rebellensprecher Mohammed Abdel Rahman erklärte, Panzer seien von dem Gelände gefahren und hätten geschossen. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP in einem nahe gelegenen Hotel hörte Schüsse und Explosionen, die seit mehr als einer halben Stunde andauerten. Abdel Rahman sagte, Gaddafis Soldaten stellten weiterhin eine Bedrohung für den Vormarsch der Rebellen dar. Ein Sohn Gaddafis, Saif al-Islam, soll festgesetzt worden sein. Aus Südafrika sollen zwei Maschinen am Flughafen gelandet sein, die Gaddafi möglicherweise die Flucht ermöglichen sollen. Die Libyer rätseln: Wo ist Gaddafi?

In Berlin hält Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) einen militärischen Einsatz Deutschlands in Libyen nach dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi weiterhin für nicht erforderlich. Die Frage stelle sich nicht, sagte er der „Rheinischen Post“. „Wir setzen darauf, dass in einer Zeit nach Gaddafi dieses Land, wie andere arabische Staaten auch, aus eigener Kraft einen stabilen Staat aufrechterhalten kann. So ist es in Tunesien und in Ägypten.“

Für den Fall, dass stabile Verhältnisse in der Nach-Gaddafi-Zeit nur mit militärischer Unterstützung des Westens möglich sein sollten, sagte de Maizière: „Wenn es Anfragen an die Bundeswehr gibt, werden wir das konstruktiv prüfen, wie wir das immer tun.“

US-Präsident Barack Obama hat Gaddafi und sein Regime aufgefordert, das Ende ihrer Herrschaft zu akzeptieren. Die Kämpfe zwischen den Rebellen und den Regierungstruppen hätten einen Wendepunkt erreicht und Libyen „entgleitet der Umklammerung eines Tyrannen“, erklärte Obama. Der sicherste Weg, das Blutvergießen zu beenden, sei die Machtübergabe Gaddafis. Die Zukunft des Landes liege nun in der Hand des libyschen Volkes. Die USA würden in enger Abstimmung mit den Rebellen zusammenarbeiten und weiterhin darauf dringen, „dass die grundlegenden Rechte des libyschen Volkes respektiert werden“.

Am frühen Montagmorgen war Tripolis nach Angaben der Rebellen bis auf wenige Widerstandsnester vollständig in der Hand der Regimegegner. Die Leibgarde von Gaddafi habe die Waffen niedergelegt, berichteten Sprecher der Aufständischen im Sender al-Dschasira. Zwei Söhne des Despoten wurden festgenommen, ein dritter unter Hausarrest gestellt. Über den Aufenthaltsort von Gaddafi selbst lagen zunächst keine Informationen vor. Ein Vertreter des Übergangsrates sagte, er „glaube nicht, dass Gaddafi noch in Tripolis“ sei.

Am frühen Montagmorgen brachten die Rebellen auch den Grünen Platz im Herzen von Tripolis unter ihre Kontrolle. Fernsehsender zeigten Hunderte von Menschen, die auf dem Platz in der Nähe des Anwesens von Gaddafi feierten und Freudenschüsse abgaben. Andere schossen auf Riesenposter mit dem Konterfei von Gaddafi. Laut al-Dschasira kündigte die Rebellen an, den Platz wieder in „Platz der Märtyrer“ umzubenennen.

Viele Soldaten Gaddafis seien gefangen genommen worden, hieß es. Andere würden immer noch Widerstand leisten. Gaddafis Regierungssprecher Mussa Ibrahim sagte am Sonntagabend, in Tripolis habe es seit dem Mittag mindestens 1300 Tote gegeben.

Auch die Nato rechnet mit einem schnellen Ende des Regimes. „Heute können wir anfangen, eine neue Zukunft aufzubauen“, erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in der Nacht zum Montag in Brüssel. „Das Gaddafi-Regime bröckelt eindeutig.“ Rasmussen forderte Gaddafi und seine Truppen auf, die Macht niederzulegen. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ein neues Libyen zu schaffen – einen Staat, der auf Frieden beruht, nicht auf Angst; Demokratie, nicht Diktatur; dem Willen aller, nicht den Launen weniger.“ (dapd/dpa/abendblatt.de)