Bislang größte Demonstration gegen niedrige Löhne und teuren Wohnraum: “Gerechtigkeit fürs Volk“. Netanjahu kündigt Arbeitsgruppe an.

Jerusalem. Gut eine Viertelmillion Menschen sind am Sonnabendabend in Israel als Protest gegen die steigenden Lebenshaltungskosten auf die Straße gegangen. Die Demonstrationen in den größten Städten des Landes waren damit die größten seit Beginn der Kundgebungen vor einem Monat. Bilder in den israelischen Medien zeigten ein Menschenmeer in den Straßen.

In Tel Aviv forderten die Demonstranten in Sprechchören «Soziale Gerechtigkeit für das Volk». Auf Plakaten waren Parolen zu lesen wie «Erst das Volk, dann der Profit», «Miete ist kein Luxus», «Israel ist zu teuer» und «Helden der Arbeiterklasse». In Jerusalem versammelten sich Demonstranten auch vor dem Wohnsitz von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Der zunehmend unter Druck geratende Regierungschef hat eine Reihe von Reformen in Aussicht gestellt,, unter anderem die Freigabe von Bauland und Steuererleichterungen. Doch dem Demonstranten reichen die Ankündigungen nicht aus. Sie wollten Lösungen und eine echte Bereitschaft der Regierung zu handeln, erklärte einer der Organisatoren. Ein Mitarbeiter Netanjahus sagte, der Ministerpräsident verstehe die Dringlichkeit der Probleme, doch müsse verantwortungsvoll gehandelt werden. Netanjahu werde am (morgigen) Sonntag ein Team von Ministern benennen, die bis September einen Plan erarbeiten sollten.

Am vergangenen Wochenende waren landesweit etwa 150.000 Demonstranten gezählt worden. Zwei Stunden nach Kundgebungsbeginn am Samstag bezifferte ein Polizeisprecher die Teilnehmerzahl mit rund 250.000. Kleinere Demonstrationen fanden zudem in Aschkelon und anderen Städten statt. Die Teilnehmer fordern unter anderem bezahlbare Mieten, niedrigere Steuern und kostenlose Kindertagesstätten.

«Das Leben in diesem Land ist hart. Wir gehen zum Militär, wie arbeiten und zahlen viel Steuern und verdienen trotzdem nicht genug, damit es bis zum Monatsende reicht», sagte ein demonstrierender Student und Barmann. Eine Großmutter erklärte: «Es stimmt, dass wir keine hohe Arbeitslosigkeit haben. Aber die Löhne sind so niedrig, dass wir wirklich schwer arbeiten und es trotzdem nicht bis zum Monatsende reicht.»

Der durchschnittliche Monatslohn liegt bei umgerechnet etwa 1.800 Euro, Lehrer und Sozialarbeiter verdienen in der Regel weniger als 1.400 Euro. Eine bescheidene Wohnung mit drei Schlafzimmern kann in Jerusalem mindestens 1.000 Euro Miete kosten, in Tel Aviv noch mehr. Eine normale 100-Quadratmeter-Eigentumswohnung in mittlerer Wohnlage in Tel Aviv und Jerusalem kostet gut und gern über 420.000 Euro.

(dapd/abendblatt.de)