Das Bild des “kleinen Rädchens“ im Holocausts zeichnete Eichmann im Prozess vor allem selbst. Um seine Verbrechen klein zu reden.

Berlin. Die Historikerin Bettina Stangneth hält es für überfällig, das Bild des NS-Verbrechers Adolf Eichmann als Schreibtischtäter und Rädchen im Getriebe der Judenverfolgung zu korrigieren. „Dieses Bild hat Eichmann selbst geprägt, als er vor Gericht saß“, sagte die Autorin des Buches „Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders" im Deutschlandradio Kultur. „Das kann man auch gut verstehen – er wollte sich natürlich unsichtbar und klein machen. (...) Das stimmt aber nicht.“

Nach Stangneths Einschätzung war Eichmann „ein Praktiker, er ist unterwegs, er interessiert sich für das, woran er, wie er es nennt, arbeitet – also das Morden -, und er möchte diesen Prozess perfektionieren.“ Weiter sagte sie: „Das Bild von einem Bösen, „das nicht aus einem Menschen selber kommt, sondern aus dem System, nämlich der Bürokratie, ist etwas, das sehr verführerisch ist – weil wir dann nämlich alle Opfer sind und keine Täter mehr übrig bleiben.“

Eichmann war in der NS-Zeit als Leiter des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt für die Deportation von Millionen jüdischer Menschen in deutsche Vernichtungslager verantwortlich. Nachdem ihn israelische Agenten am 11. Mai 1960 aus Buenos Aires entführt hatten, wurde ihm in Jerusalem vom 11. April 1961 an der Prozess gemacht. Eichmann wurde zum Tode verurteilt und am 31. Mai 1962 gehängt. Es war das einzige Mal in der israelischen Geschichte, dass die Todesstrafe vollstreckt wurde. (dpa)