Die Frauen in der Familie sind besonders belastet. „Der größte Pflegedienst in Deutschland sind die Angehörigen“, beklagt der Pflegerat.

Berlin. Vor dem Spitzentreffen zur Situation pflegender Angehöriger in Deutschland hat der Deutsche Pflegerat mehr Unterstützung für die rund eine Million Betroffenen gefordert. „Die psychischen Belastungen sind immens“, sagte Präsident Andreas Westerfellhaus der Nachrichtenagentur dpa. „Nötig sind stärkere Beratung und Begleitung, strukturierte Schulungen und Qualifizierung von Angehörigen.“ Zwar zeichneten sich heute schon einige Pflegekassen durch solche Angebote aus. „Aber es ist äußerst ausbaufähig.“ Letztlich müsse es generell mehr Leistungen der gesetzlichen Kassen geben, sagte Westerfellhaus. „Das muss in andere Strukturen gehen.“ Die Betroffenen müssten stärker ins Versorgungssystem einbezogen werden.

Die Frage sei, wie man die Angehörigen vor Überlastung schützen kann. „Wichtig ist es, eine professionelle Begleitung sicherzustellen, wenn ein Angehöriger nicht mehr kann.“ Westerfellhaus sagte weiter: „Viele Angehörige gehen über ihre Grenzen hinaus und müssen ihr Leben umorganisieren.“ In der Regel seien sie 24 Stunden bei ihren Verwandten. Es handele sich um eine große Gruppe. „Der größte Pflegedienst in Deutschland sind die Angehörigen.“ Die Hälfte bis drei Viertel der rund 2,2 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden nach unterschiedlichen Erhebungen zu Hause betreut – meist von Frauen.

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will 2011 zum „Pflege-Jahr“ machen. Der Minister hatte im Dezember bereits ein Treffen zu Beratungen über den Fachkräftemangel einberufen. Weitere Runden sollen folgen. Damit soll die Pflegereform für dieses Jahr vorbereitet werden. Westerfellhaus forderte einen umfassenden Ansatz: „Wenn man nicht ein Gesamtpaket daraus schnürt, das alle Belange berücksichtigt, werden wir die Probleme nicht lösen.“ Bei einem zweiten Pflegegipfel will Rösler an diesem Montag in Berlin mit Experten über die Situation pflegender Angehöriger beraten. Der Dialog mit Vertretern von Verbänden soll der Vorbereitung der Finanzierungsreform dienen, die erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr erwartet wird. Wie schon im vergangenen Jahr vor der sogenannten Gesundheitsreform sollen erst die wichtigen Landtagswahlen abgewartet werden.

Derzeit werden nach Schätzungen des Sozialverbands VdK vier Millionen hilfsbedürftige Menschen von Verwandten versorgt. Rösler sprach sich in der „Bild am Sonntag“ dafür aus, für pflegende Angehörige Kuren nach dem Vorbild der Mutter-Kind-Kuren einzuführen. Auch sollten die Pflegezeiten von Angehörigen bei der Rente stärker berücksichtigt werden als bisher. Der Sozialverband VdK hatte zuletzt gewarnt, Rösler unterschätze den Pflegebedarf und werde mit seiner Reform der Pflegeversicherung scheitern, die eine Umstellung auf eine Kapitaldeckung vorsieht.