Der Verteidigungsminister sagt: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Allerdings kündigte Guttenberg Reformen für die „Gorch Fock“ an.

Berlin/Hamburg. Zwischenfälle auf der „Gorch Fock", die geöffneten Feldpostbriefe und ein Minister, dem die Führung abhanden gekommen scheint: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat Vorwürfe zurückgewiesen, er habe die Öffentlichkeit nach den Zwischenfällen bei der Bundeswehr unzureichend informiert. Zum Fall des im Dezember in Afghanistan getöteten Soldaten sagte der Minister in der ARD: „Es wurde am Tag danach (...) die Öffentlichkeit korrekt unterrichtet.“ Bereits bei seinem Afghanistan-Besuch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Weihnachten habe er darauf hingewiesen, dass der tödliche Schuss aus der Waffe eines Kameraden stamme. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“

Guttenberg hatte damals gesagt: „Selbstverständlich ist es auch eine Herzensfrage, diesen Kameraden, von dem das Unglück ausging, und seine Familie aufzufangen.“ Der Minister kündigte eine rückhaltlose Aufklärung an. Er schloss „harte Konsequenzen“ nicht aus, sofern die Ermittlungen Verfehlungen nachweisen. Das gelte auch für den Zwischenfall auf der „Gorch Fock“. Hier sprach Guttenberg von möglichen Veränderungen bei der Ausbildung der Kadetten.

Derweil wächst die Kritik am Minister. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, sagte der „Berliner Zeitung“, Guttenberg müsse sich im Fall des erschossenen Soldaten nachsagen lassen, sein Ministerium unterrichte den Bundestag objektiv falsch. SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm den Verteidigungsminister in die Pflicht: „Ich erwarte, dass Verteidigungsminister zu Guttenberg sämtliche Vorfälle rückhaltlos aufklärt“, sagte Gabriel dem Hamburger Abendblatt.

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Susanne Kastner (SPD), griff die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums an: „Das Ministerium hat den Verteidigungsausschuss nicht nur falsch informiert, sondern verschleppt, und verschweigt immer wieder Informationen“, sagte sie.

Wie die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet, widersprechen Mitglieder des Ausschusses der Darstellung des Ministeriums, sie seien am 21. und am 27. Dezember über die wahren Umstände des Todes informiert worden. „Wir haben bis zum vorgestrigen Mittwoch nur die Information gehabt, ein Soldat sei durch einen Schuss verletzt worden und bei der Notoperation verstorben“, zitierte das Blatt Aussagen aus dem Ausschuss. Nach den Informationen soll der deutschen Militärpolizei bereits am 27. Dezember ein Untersuchungsbericht vorgelegen haben.

Noch am Mittwoch aber habe Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey die Frage verneint, dass es einen solchen Bericht gebe, heißt es weiter aus dem Ausschuss. Nach dpa-Informationen kommen die Ermittler darin zu dem Schluss, dass es sich „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ um einen Unfall handelte.

Die Staatsanwaltschaft in Gera untersucht die genauen Umstände und ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Nach einem internen Bundeswehrbericht, aus dem die „Bild“-Zeitung zitiert, starb der Hauptgefreite, weil ein Kamerad mit seiner Pistole vom Typ Heckler & Koch P8 gespielt haben soll.

Ein generelles Versagen der Streitkräfte-Führung will Guttenberg in den jüngsten Vorfällen nicht sehen. „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, so hätten wir es aller Wahrscheinlichkeit nach mit individuellem Fehlverhalten zu tun“, sagte der CSU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“.

Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sieht „kein Führungsproblem in der Bundeswehr“. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte er: „Es gibt Probleme mit dem Führungsverhalten in Teilbereichen.“ Er habe „nicht das Gefühl, dass etwas vertuscht wird“. Dagegen wirft der Bundeswehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) die Frage über mögliches Führungsversagen auf. „Es muss überprüft werden, ob die Führung versagt hat“, sagte Königshaus in der „Passauer Neuen Presse“. Welche Informationen Guttenberg und der militärischen Führung wann vorgelegen haben, „das muss jetzt untersucht werden“, sagte der FDP-Politiker.

In der Affäre um die „Gorch Fock“ sind nun Ermittler der Marine am Zug. Der Dreimaster liegt seit Donnerstagabend im argentinischen Hafen Ushuaia. Dort wartet die Besatzung auf die Ermittler. Guttenberg sicherte „rückhaltlose Aufklärung“ zu. Auf der „Gorch Fock“ hat es nach Angaben eines Marine-Sprechers keine Meuterei gegeben. „Der Begriff ist völlig falsch und überzogen“, sagte Fregattenkapitän Achim Winkler der dpa in Ushuaia. Meuterei bedeute, dass die ganze Besatzung auf die Barrikaden gehe. Auch nach dem tödlichen Unfall an Bord sei dies nicht der Fall gewesen. „Dies wird aber jetzt Gegenstand der Untersuchungen, und deshalb kann ich dazu weiter nichts sagen.“

Im vergangenen November war eine 25-jährige Offiziersanwärterin auf der „Gorch Fock“ aus der Takelage in den Tod gestürzt. Gegen vier Kadetten steht der Vorwurf der Meuterei im Raum. Die trauernden Kameraden sollen gedrängt worden sein, wieder in die Masten zu klettern, obwohl sie das nach dem Unglück nicht mehr wollten. Besatzungsmitglieder hatten Vorgesetzten danach Versagen vorgeworfen. Die Ermittler müssen Vorwürfen nachgehen, die Stammbesatzung habe Offiziersanwärter bedroht und sexuell belästigt.

Mit Material von dpa