Für die seit Jahren laufende Untersuchung des Bundeskartellamts zu Preisabsprachen sollen Ende Januar Ergebnisse veröffentlicht werden.

Berlin. Angesichts der explodierenden Benzin-Preise hat Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) das Vorgehen der Mineralölkonzerne kritisiert. „Es ärgert die Menschen, dass die Spritpreise ständig Achterbahn fahren – vor allem diejenigen, die täglich auf das Auto angewiesen sind“, sagte Brüderle der „Bild am Sonntag“. Für die seit mehreren Jahren laufende Untersuchung des Bundeskartellamts zu Preisabsprachen in der Branche sollen nun Ende Januar die Ergebnisse veröffentlicht werden. Brüderle kündigte an, dann auch über „Konsequenzen“ zu sprechen.

Bereits im Oktober hatte das Kartellamt angekündigt, seine langfristige Prüfung in den vier Modellregionen Hamburg, Köln, Leipzig und München zu vertiefen. Jeweils 100 Tankstellen mussten jede Preisänderung der vergangenen drei Jahre an die Behörde melden. Im Detail prüfen die Wettbewerbshüter unter anderem, ob es immer dieselben Unternehmen sind, die bei Preiserhöhungen vorpreschen. Ein Aspekt ist auch, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Benzinpreis oft mehrfach an einem Tag rasant steigt, dann aber wieder langsam sinkt. Die Mineralölkonzerne hatten die Kritik zurückgewiesen.

Autofahrer müssen derzeit an den Zapfsäulen in Deutschland so tief in die Tasche greifen wie seit dem Sommer 2008 nicht mehr. Im bundesweiten Durchschnitt kostet der Liter Superbenzin nach ADAC- Angaben in der vergangenen Woche 1,495 Euro, 2,6 Cent mehr als in der Vorwoche. Vielerorts wurde inzwischen die 1,50-Euro-Marke deutlich überschritten. Diesel kostete pro Liter 1,333 Euro im Durchschnitt und damit 1,5 Cent mehr als in der Vorwoche.

Hintergrund sind vor allem die gestiegenen Ölpreise. Einen Einfluss auf die aktuelle Preisgestaltung könnte aber auch die geplante Einführung des Biosprits E10 haben. Offizieller Start dafür war der 1. Januar, allerdings brauchen die Mineralölkonzerne nach eigenen Angaben noch Monate, um alle Tankstellen umzurüsten. Branchenexperten halten es für möglich, dass der Preis für das herkömmliche Superbenzin jetzt steigt, damit E10 dann günstiger angeboten werden kann.

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Die Kraftstoffpreise in Deutschland sind auf den höchsten Stand seit zweieinhalb Jahren gestiegen. In Hamburg kostete ein Liter Superbenzin gestern an einigen Tankstellen bis zu 1,529 Euro. Das sind acht Cent mehr als noch am Tag zuvor. Auch in anderen Großstädten wurde die 1,50-Euro-Marke übersprungen. "Diese Preise sind nicht gerechtfertigt", sagte ein Sprecher des Automobilklubs ADAC dem Abendblatt.

Für den Anstieg werden unterschiedliche Gründe genannt. Der Mineralölwirtschaftsverband in Berlin hebt den gestiegenen Rohölpreis sowie den vergleichsweise schwachen Euro-Kurs hervor. Der Rohölpreis wird international in Dollar gebildet, in Kontinentaleuropa zahlen die Raffineriebetreiber aber in Euro.

"Die Preise für Benzin und Diesel liegen aber noch immer unter dem Niveau von Mitte 2008", sagte Karin Retzlaff, die Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbandes, dem Abendblatt. Auch die starke Nachfrage nach Benzin und Diesel in großen Volkswirtschaften wie China oder Indien treibe den Preis zurzeit in die Höhe. Und: "Rund 60 Prozent des Benzinpreises und 53 Prozent des Dieselpreises sind gegenwärtig in Deutschland Steuern", sagte die Verbandssprecherin.

Mit der Einführung einer neuen Benzinsorte wird die Lage nun aber noch komplizierter. Benzin und Diesel müssen nach Gesetzeslage nämlich einen Anteil von 6,25 Prozent Biosprit enthalten, gemessen am Energiegehalt des Treibstoffs. Beim Diesel ist dies weniger schwierig umzusetzen: Dem konventionellen Diesel aus Rohöl werden sieben Prozent Biodiesel beigemischt - so wird der geforderte Energiegehalt des Bioanteils erreicht.

Beim Benzin dagegen wird zur Beimischung Bioethanol verwendet, das man in Südamerika beispielsweise aus Zuckerrohrpflanzen gewinnt, in unseren Breitengraden vor allem aus Mais. Der Energiegehalt dieses Industriealkohols ist allerdings geringer als der des Benzins - deshalb beträgt die notwendige Beimischung zehn Prozent.

Erst im Dezember vergangenen Jahres hatte der Gesetzgeber in Deutschland den Weg für die Einführung dieses neuen Superbenzins "E10" endgültig frei gemacht. Bereits seit Anfang Januar aber gilt: Wer die neuen Anforderungen an den Ökoanteil des Benzins nicht erfüllt, muss je Liter Diesel 60 Cent und je Liter Benzin 90 Cent Strafe zahlen.

"Möglicherweise beziehen einige Tankstellenbetreiber das jetzt schon in ihre Kalkulationen mit ein und berechnen, wie viel Strafe am Jahresende fällig wird", sagte ein Insider dem Abendblatt. "Je später das E10 kommt, desto teurer wird die Einführung deshalb jetzt schon." Unter der Hand schimpfen Branchenvertreter über die kurzen Fristen. Im Lauf des Frühjahrs wollen Tankstellenkonzerne und freie Betreiber das neue Mischbenzin einführen, vorher sei die Umstellung auch wegen des strengen Winters nicht zu machen.

Neue Probleme drohen aber auch unabhängig davon. Schätzungsweise zehn Prozent der Autos in Deutschland, vor allem ältere Modelle, vertragen die Mischung nach Einschätzung von Experten nicht. Das Superbenzin E10 könne Gummidichtungen angreifen oder in Katalysatoren entflammen. Daher wird es bis 2013 auch weiterhin das bisherige Superbenzin mit fünf Prozent Ethanol - im Fachjargon E5 genannt - an den Zapfsäulen geben.

(dpa/abendblatt.de)