Bund und Länder erwarten Zehntausende Studenten zusätzlich: 35.000 bis 59.000 mehr Erstsemester pro Jahr. Das löst Streit um die Finanzierung aus.

Berlin. Die neue Bundeswehr kommt. Die Reform wird jedoch hart, sagt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Denn Milliarden Euro müssen gespart werden. Die historische Abkehr von der Wehrpflicht und ein drastischer Truppenabbau stellen die Bundeswehr vor große finanzielle Probleme. Die Regierung hält daran fest, dass 8,3 Milliarden Euro bis 2014 gespart werden. Verteidigungsminister Guttenberg sagte: „Hier werden wir viel Kreativität aufbringen.“

Dazu kommt der Streit mit den Ländern über zusätzliche Kosten für die Universitäten, die mit dem Wegfall des Pflichtdienstes zum Juli 2011 mit einem Ansturm auf Studienplätze rechnen. Am Mittwoch will das Kabinett die Reform samt neuem Freiwilligendienst beschließen. Die Partei- und Fraktionschefs von Union und FDP hatten die Weichen für die tief greifende Bundeswehrreform gestellt. Die Zahl der Soldaten soll von 240.000 auf maximal 185.000 sinken – darunter bis zu 15.000 Freiwillige.

Die Wehrpflicht soll mehr als 50 Jahre nach der Einführung Mitte 2011 ausgesetzt werden, sie bleibt jedoch im Grundgesetz erhalten. Guttenberg sprach davon, dass dies „eine große, eine weitreichende, ich glaube sogar eine historische Entscheidung“ sei. Wann die letzten Soldaten mit Wehrpflicht eingezogen werden, ist offen. „Der 1.7. ist der Stichtag. Das heißt, dass natürlich bis dorthin auch noch einberufen wird. Das sind aber allerdings größtenteils auch bereits gemusterte junge Männer“, sagte Guttenberg in der ARD. Mit Blick auf die Zukunft der Standorte sagte er, die Bundeswehr werde in der Fläche weiter präsent sein. Alle seien sich einig, dass es keine Sicherheitspolitik nach Kassenlage geben soll, sagte Guttenberg. „Trotzdem ist das Kabinett und die Regierung bemüht, auch die mittelfristige Finanzplanung einzuhalten.“

Weil die Truppenstärke über Guttenbergs früherem Vorschlag von 163.500 Soldaten liegt, entstehen mehr Kosten. „Der große Einsparbetrag ist natürlich leistbar in der Reduktion des Personals. Das ist ein harter Weg“, sagte der Minister. Die Koalitionsspitzen sprachen von einer „deutlichen Reduzierung“. Im November hatte Guttenberg eine Senkung von 85.000 auf bis zu 65.000 Posten angekündigt. Der CDU-Verteidigungspolitiker Ernst-Reinhard Beck riet dazu, eine Verschiebung der Einsparungen zu prüfen. „Wir müssen schauen, ob man das Sparziel um ein oder zwei Jahre nach hinten verlegen kann“, sagte er der „Tageszeitung“ („taz“). Mit der Aussetzung der Wehrpflicht erwarten Bund und Länder zusätzlich Zehntausende Studenten. Die Länder pochen auf Finanzhilfe. Bund und Länder gehen von 35.000 bis 59.000 zusätzlichen Studienanfängern pro Jahr aus. Von 2011 bis 2018 entstünden dadurch 0,9 bis 1,5 Milliarden Euro Mehrkosten.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) machte deutlich, dass der Bund wohl nicht alles tragen wird. „Bund und Länder können den Hochschulpakt nutzen, um mehr Studienplätze zu schaffen“, sagte die Ministerin. „Allerdings vertragen sich damit Kürzungen in den Länderhaushalten für die Hochschulen nicht.“ Beim Hochschulpakt teilten sich Bund und Länder die Finanzierung. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), machte deutlich, dass der Bund nicht gewillt sei, die Finanzierung allein zu tragen. CSU- Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte allerdings: „Frau Schavan hat einen riesigen Haushalt.“

Die Regierung will am kommenden Mittwoch auch den neuen Freiwilligendienst verabschieden. Der Bundesfreiwilligendienst sei eine historische Chance für mehr gesellschaftliches Engagement, sagte Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie wies Länder-Bedenken zurück: Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) würden weitgehend gleich ausgestattet wie der Dienst des Bundes. Schröder will rund 35.000 Männern und Frauen pro Jahr mit dem Bundesfreiwilligendienst die Chance zum gemeinnützigen Einsatz bieten. Er soll das FSJ und das FÖJ ergänzen. Der Bund will die Dienste insgesamt mit 350 Millionen Euro pro Jahr fördern.

Die Grünen sprachen von „unsinnigen Doppelstrukturen“ bei den Freiwilligendiensten. Erstaunlich sei auch, dass Schavan erst jetzt den zusätzlichen Studienplatzbedarf durch die Wehrreform bemerke. Die Grünen-Politiker Agnieszka Malczak und Kai Gehring beklagten, es sei besorgniserregend, dass gut ein halbes Jahr vor der Aussetzung der Wehrpflicht zentrale Fragen zum Übergang ungeklärt seien.