Bombenalarm im Kanzleramt und an Botschaften in Athen - wer steckt hinter dem Terror? Die “Verschwörung der Zellen des Feuers“

Athen. Bombenalarm im Kanzleramt, explosive Sendungen an Nicholas Sarkozy und Silvio Berlusconi, an den Europäischen Gerichtshof, Europol und diverse Botschaften in Athen: Als Urheber der beispiellosen Serie von Briefbomben haben die Ermittler griechische Linksradikale im Verdacht. Wenn sich das bewahrheitet, hätten diese radikalen Gruppierungen erstmals Anschlagsziele im Ausland ins Visier genommen.

Zwei junge Männer wurden bereits festgenommen, nach weiteren fünf wird seit Mittwoch gefahndet. Die Verdächtigen, meist Anfang 20, werden den militanten Anarchisten der „Verschwörung der Zellen des Feuers“ (Synomosia Pyrinon tis Fotias – SPF) zugerechnet. Diese Gruppe hat sich in den vergangenen zwei Jahren zu Dutzenden von Brand- und Bombenanschlägen bekannt.

Militante Gruppen sind in Griechenland seit Jahrzehnten aktiv. Die erste Generation der Stadtguerilla ging noch aus dem Widerstand gegen die Militärdiktatur hervor. In den 80-er und 90-er Jahren wurde das Land von einer Welle des Terrors heimgesucht, bei der mehr als 20 Menschen starben. Nach der Zerschlagung der gefährlichsten Terrororganisationen wie der Gruppe „17. November“ herrschte einige Jahre lang relative Ruhe. Damit war Schluss, als am 6. Dezember 2008 in Athen ein Halbwüchsiger von der Polizei erschossen wurde und in mehreren griechischen Städten Krawalle aufflammten. Nach den Unruhen traten eine Reihe militanter Gruppierungen neu in den Vordergrund, unter anderen eine „Sekte der Revolutionäre“ und die jetzt verdächtigten „Feuerzellen“.

Diese Gruppen aus der Anarcho- und Autonomenszene gelten als weniger gewieft und straff organisiert als die Vorgänger. „Wie haben es eindeutig mit Amateuren zu tun, aber diese Amateure haben weltweite Aufmerksamkeit bekommen“, sagt die griechische Terrorexpertin Mary Bossi. „Die Verdächtigen sind alle jung, aber ich habe so meine Bedenken, wer sie möglicherweise steuert.“

Seit 2009 fielen vier Menschen Anschlägen zum Opfer: Ein Terrorfahnder und ein Journalist wurden erschossen, ein 15-jähriger Junge fiel zufällig einer auf der Straße abgestellten Bombe zum Opfer, und ein hoher Mitarbeiter des Zivilschutzministeriums wurde von einer Briefbombe getötet. Zu keinem dieser Anschläge haben die Behörden nach eigenem Bekunden glaubwürdige Bekenntnisse vorliegen.

Keine der jetzt abgefangenen Briefbomben, die bislang untersucht wurden, enthielt nach Angaben der Ermittler eine tödliche Menge Sprengstoff.

Den „Zellen des Feuers“ werden eine Reihe von Anschlägen in Saloniki und in Athen zugeschrieben, die überwiegend Sachschaden anrichteten. So griffen bereits am 13. September 2008 maskierte Jugendliche auf Motorrädern ein Polizeirevier in Saloniki an und schleuderten Brandsätze auf Polizeifahrzeuge. Im Dezember 2008 ging ein kleiner Brandsatz vor dem Athener Büro der französischen Nachrichtenagentur AFP hoch. Im Februar folgte in Athen eine Reihe von Brandanschlägen unter anderem auf einen Ankläger in Terrorprozessen, einen Richter und einen Politiker, bei denen aber niemand verletzt wurde.

Die „Zellen“ widmeten diese Anschläge einem führenden Mitglied der Terrororganisation „17. November“, der zu lebenslanger Haftstrafen verurteilt wurde. Weitere Anschläge galten Ministeriumsgebäuden, Baustellen für Polizeigebäude und Häusern prominenter Politiker, bei denen aber niemand verletzt wird. Im Dezember 2009 trifft es ein Versicherungsgebäude in Athen, wie es heißt, als Protest gegen das „weihnachtliche Konsumverhalten“.

Seit Anfang 2010 bekannten sich die „Zellen“ unter anderem zur Detonation eines kleinen Sprengsatzes beim Grab des Unbekannten Soldaten vor dem Parlamentsgebäude in Athen am 9. Januar. Am 13. Mai ließ eine Bombenexplosion vor dem größten Gefängnis Griechenlands in Athen in der Nachbarschaft Fensterscheiben zerspringen; eine Frau wurde durch Glassplitter verletzt. Bei einem Bombenanschlag auf ein Gerichtsgebäude in Saloniki am 14. Mai entstand erheblicher Sachschaden.