Erstmals leitete Guido Westerwelle das Kabinett, da die Kanzlerin im Urlaub ist. Und der FDP-Chef äußerte sich gleich zu vielen Themen.

Berlin. Es war eine politische Premiere für ihn. Vizekanzler Guido Westerwelle leitete zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt im Herbst 2009 eine Sitzung des Bundeskabinetts. Der Außenminister vertrat Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zurzeit in Sulden in Südtirol Wanderurlaub macht. Und Westerwelle nutzte die Gelegenheit und äußerte sich gleich zu einer Reihe von Themen - Hartz IV, Rentengarantie und Bundeswehr:

Westerwelle hat sich gegen eine spürbare Anhebung der Regelsätze für Langzeitarbeitslose ausgesprochen. Das Lohnabstandsgebot - nach dem Menschen, die arbeiten, mehr Einkommen haben sollen als Empfänger staatlicher Leistungen – dürfe nicht ignoriert werden, forderte der FDP-Chef in Berlin. „Arbeit muss sich ganz persönlich, wirklich lohnen“, sagte Westerwelle.

Die vom Bundesverfassungsgericht verordnete Neuregelung bei den Leistungen für Kinder will Westerwelle wie Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vor allem über Sachleistungen umsetzen. Es müsse sichergestellt werden, dass Steuergelder wirklich bei den Kindern landeten und deren Chancen vergrößerten, sagte der Vizekanzler. Deshalb unterstütze er die Haltung, Kindern vor allem über Gutscheine statt über höhere Geldzahlungen an die Eltern zu helfen. Westerwelle betonte, er teile von der Leyens Devise, nach der es keine Leistung ohne die Bereitschaft zur Gegenleistung geben dürfe. Die Bundesregierung muss bis Jahresende die Regelsätze für Langzeitarbeitslose neu berechnen. Beanstandet hatten die obersten Richter nicht die Höhe des Regelsatzes von derzeit 359 Euro sondern dessen Berechnung. Für Kinder müssen zudem in stärkerem Umfang Ausgaben für Bildung und Teilhabe etwa am Vereinsleben berücksichtigt werden.

Für eine Abschaffung der Rentengarantie gibt es nach Einschätzung des Vizekanzlers Westerwelle keinen Grund. Er gehe von Lohnzuwächsen aus, sagte der FDP-Politiker. Die Renten sind an die Löhne gekoppelt und würden damit auch steigen, die Rentengarantie greift nur bei sinkenden Löhnen. Westerwelle gab Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für dessen Forderung nach Abschaffung der Garantie aber grundsätzlich Rückendeckung. Es sei klug, wenn die Gesellschaft über solch ein Thema diskutiere.

Westerwelle üßerte sich auch zum Afghanistan-Einsatz der Internationalen Schutztruppe . Der Vizekanzler ging auf Distanz zu den umstrittenen Äußerungen des ISAF-Oberkommandierenden David Petraeus. „Meine Wortwahl wäre es nicht“, sagte Westerwelle. Petraeus hatte in Leitlinien an die in Afghanistan eingesetzten Soldaten betont, der „Feind“ in Afghanistan müsse ohne Unterlass verfolgt werden. „Zusammen mit unseren afghanischen Partnern müssen wir unsere Zähne in das Fleisch der Aufständischen schlagen und nicht mehr lockerlassen.“ Der Weisungskatalog wendet sich auch an die Bundeswehrsoldaten im ISAF-Einsatz.

Westerwelle machte zugleich deutlich, dass er gezielte Tötungen in Afghanistan für zulässig hält. Die Rechtslage sei hier eindeutig. „Wir müssen wissen, dass gegnerische Kämpfer in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt in dem vom Völkerrecht gesteckten humanitären Rahmen gezielt bekämpft werden können und auch dürfen“, sagte der Außenminister. Presseberichten zufolge belegen die von der Website WikiLeaks veröffentlichten Geheimdokumente zu Afghanistan gezielte Tötungen von Rebellen durch die US-Spezialeinheit Taskforce 373. Die Bundeswehr hat sich nach Angaben der Bundesregierung allerdings die Selbstbeschränkung auferlegt, sich nicht an gezielten Tötungen von Taliban-Führern zu beteiligen.