Mit der Reform sollen 30 Millionen bislang unversicherte Amerikaner eine Krankenversicherung erhalten. Die Börse reagierte euphorisch.

Washington. Großer Sieg mitten im Wahlkampf: Das Oberste US-Gericht hat die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama als verfassungskonform bestätigt. Es ist sein wichtigstes innenpolitisches Projekt. Völlig überraschend gaben die Richter am Donnerstag grünes Licht für die Einführung einer Pflichtversicherung für die meisten Amerikaner. Die Entscheidung fiel mit 5 zu 4 Stimmen

Während selbst konservative Kritiker von einem klaren Erfolg für Obama sprachen, beharrten die Republikaner in ersten Reaktionen auf ihrer Strategie: Sollten sie die Präsidentenwahlen im November gewinnen, wollen sie im Parlament das gesamte Gesetz kippen.

Das 2010 verabschiedete Gesetz – das nach Ansicht von Kritikern ein Stück europäischer Wohlfahrtsstaat bedeutet und „unamerikanisch“ ist – hatte die innenpolitische Debatte über Monate vergiftet. Viele Experten hatten damit gerechnet, dass der von Obama eingeführte Zwang zur Krankenversicherung für verfassungswidrig erklärt würde.

Das Obama-Gesetz sieht Strafzahlungen für alle vor, die sich zwar eine Versicherung leisten können, aber trotzdem nicht versichern. In dem überaus komplizierten Urteil der Richter heißt es, diese Regel sei verfassungskonform – allerdings unter der Bedingung, dass sie nicht als Geldbußen oder Strafen, sondern als Steuern eingestuft würden.

Chefrichter John Roberts, der für die Reform stimmte, meinte, jeder Bürger habe die „rechtskonforme Wahl“, keine Krankenversicherung abzuschließen. Dann müsse er aber bereit sein, dafür eine Steuer für seine „Wahl“ zu zahlen.

Das Urteil kam völlig überraschend. Der republikanische Fraktionschef im Senat, Mitch McConnell, meinte, seine Partei werde „nicht aufgeben, das schreckliche Gesetz abzuschaffen und durch eine Reform zu ersetzen, die wahrlich die Probleme angeht.“

„Die Verfassungsmäßigkeit war niemals ein Argument, um dieses Gesetz bestehenzulassen“, sagte er. Auch der wahrscheinliche republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hatte zuvor ebenfalls gedroht, die Reform abzuschaffen.

Die Gesundheitsreform war bereits einer der Kernpunkte der Wahlkampagne Obamas vor vier Jahren. Die Verabschiedung im Frühjahr 2010 fiel wegen massiven Widerstands der Republikaner allerdings bereits hauchdünn aus. Vor allem die konservative Tea-Party-Bewegung organisierte den Kampf gegen das Reformwerk.

Nach einer Umfrage des TV-Senders ABC unterstützen derzeit lediglich 36 Prozent der Amerikaner die Reform. 52 Prozent der Befragten seien dagegen.

Der Entscheidung des Supreme Court lag eine Klage von 26 Bundesstaaten zugrunde. Die Bestätigung des Kernpunkts der Reform bedeutet, dass auch andere wichtige Teile der Reform, die Obama besonders am Herzen liegen, aufrechterhalten bleiben. Dazu gehört, dass Versicherungen Amerikaner mit existierenden Erkrankungen nicht mehr abweisen dürfen.

Insgesamt strich der Supreme Court nur eine Vorschrift, und zwar zum Krankenversicherungsprogramm Medicaid für Bedürftige. Die Regel sah vor, dass Bundesstaaten, die ihre Aufwendungen für das Programm nicht erhöhen, weniger Bundeszuschüsse erhalten. (dpa)