Human Rights Watch zeigt sich besorgt über die Zustände in Ägypten. Sie erwartet keine wirkliche Machtübergabe des Militärs am 1. Juli.

Kairo. Ägypten bleibt über den 1. Juli hinaus unter Kontrolle der derzeit herrschenden Generäle, befürchten Menschenrechtler. Die Militärführung habe in der vergangenen Woche die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die mit der Wahl eines neuen Präsidenten versprochene Machtübergabe nur noch begrenzt stattfindet, erklärte Human Rights Watch (HRW). Zuvor hatte die Wahlkommission die für Donnerstag angesetzte Bekanntgabe des Siegers der Präsidentenwahl auf Samstag oder Sonntag verschoben. Grund sei eine Vielzahl von Beschwerden beider Kandidaten, berichtete die Zeitung „Al-Ahram“.

+++ Ex-Diktator Mubarak klinisch tot +++

HRW wies am Donnerstag darauf hin, dass sich die Generäle in der vergangenen Woche die Rolle des Gesetzgebers, das Recht zur Verhaftung von Zivilisten, die Kontrolle über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung gegeben und zudem dem künftigen Präsidenten einige Vollmachten entzogen hätten. Das sei ein Umfeld, das weitere Menschenrechtsverletzungen ermögliche.

Der Termin der Bekanntgabe des Wahlergebnisses der Präsidentenstichwahl am Donnerstag sei hinfällig, weil ein Richtergremium sich mit rund 400 Beschwerden wegen Wahlfälschung auseinandersetzten müsse, hieß es in der Erklärung der Wahlkommission. Die Beschwerden kommen demnach aus den Lagern von beiden Präsidentschaftsbewerbern, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Ahmed Schafik und dem Kandidaten der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi. Nach Angaben örtlicher und internationaler Wahlbeobachter waren die Mängel bei der Wahl nicht so gravierend, dass ihre Gültigkeit in Zweifel gezogen werden könnte.

Westerwelle: „Ägypten ist sehr fragil“

Tausende Anhänger der Muslimbrüder campierten Mittwochnacht wieder auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Gemeinsam mit Gruppen der revolutionären Jugend protestierten sie gegen den regierenden Militärrat, dem sie vorwerfen, seine Machtposition festigen zu wollen. Ursprünglich sollte der Militärrat nach Bekanntgabe eines neuen Präsidenten Ende Juni die Macht abgeben. Mit einer Übergangsverfassung sicherte er sich aber vergangenes Wochenende weitgehende Rechte. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte davor, dass Ägypten noch vom Pfad der Demokratisierung abkommen könnte. „Die Situation in Ägypten ist sehr fragil. Es ist noch nicht entschieden, welchen Weg das Land einschlagen wird “, sagte Westerwelle der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstagausgabe).

Zusätzlich zur politischen Unsicherheit sorgten auch Berichte über den schlechten Gesundheitszustand von Expräsident Husni Mubarak für Verwirrung. Nachdem er kurzzeitig mit dem Tod gerungen haben soll, liegt er nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen jetzt im Koma.

(dapd)