Unmittelbar vor dem Auftakt ihres Bundesparteitags am heutigen Sonnabend in Neumünster sind die Piraten bei den etablierten Parteien ein großes Diskussionsthema.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die Piraten als „interessante Erscheinung“, die SPD hält sie für die „neuen, besseren Liberalen“, die Linken können sich sogar unter bestimmten Voraussetzungen eine Zusammenarbeit vorstellen: Unmittelbar vor dem Auftakt ihres Bundesparteitags am (heutigen) Samstag in Neumünster sind die Piraten bei den etablierten Parteien ein großes Diskussionsthema. Die junge Partei selbst streitet derweil munter über ihre Regierungsfähigkeit.

Auf dem Parteitag werden rund 2.000 Mitglieder werden erwartet. Auf der Tagesordnung stehen knapp 200 Anträge und die Wahl eines neuen Vorstands.

Merkel sagte der „Leipziger Volkszeitung“: „Die Piraten sind eine relativ neue Partei, die das politische Spektrum jetzt noch vielfältiger macht. Und sie sind eine interessante Erscheinung, von der wir noch nicht wissen, wie es mit ihr weitergeht.“ Sie widersprach der Vermutung, die Piraten kämen der Union als nützliche Helfer entgegen, weil dadurch die Mehrheitsverhältnisse für klassische Bündnisse unsicherer geworden seien. In der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“ wies sie aber auch auf starke Defizite der jungen Partei hin. „Die Piraten machen deutlich, dass sie auf viele Fragen noch gar keine Antworten haben“, kritisierte die CDU-Vorsitzende.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte, er halte die Piratenpartei für „die neuen, besseren Liberalen“. Die Piraten könnten eine historische Mission erfüllen, indem sie FDP und Linke aus den Landtagen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein heraushalten, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die FDP nannte der SPD-Politiker nicht mehr regierungsfähig. Bevor die Piraten in eine Regierung eintreten könnten, werde allerdings noch einige Zeit vergehen.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, erklärte in einem dapd-Interview, sie könne sich unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine Zusammenarbeit mit der Piratenpartei vorstellen. „Wenn sie eine linke, aufmüpfige, angriffslustige Partei werden würden, die für ähnliche soziale Inhalte streitet wie wir, wäre das wunderbar“, sagte sie und fügte hinzu: „Dann hätten wir endlich einen Partner in den Parlamenten.“ Zuvor allerdings müsse sich die junge Partei auch inhaltlich stärker positionieren, monierte Wagenknecht. Sie sieht aber bereits jetzt auch positive Ansätze bei den Piraten: „Beispielhaft sind ihre innerparteilichen Kommunikationsformen.“

Auch die FDP sieht die Piraten in einigen Punkten als vorbildhaft an. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr rief seine Partei auf, sich bei Transparenz und Dialogformen im Internet die Piratenpartei zum Vorbild zu nehmen. Hier könnten sich die Liberalen „von den Piraten ruhig eine Scheibe abschneiden“, sagte Bahr im Interview der Nachrichtenagentur dapd. Ob die Piraten Bestand haben oder nur eine flüchtige politische Erscheinung blieben, werde sich allerdings noch zeigen müssen.

„Mit nur einem Thema kann man kaum Erfolg haben“, sagte Bahr. Die Leute wollten irgendwann wissen, wofür die Partei stehe, die sie wählten. „Doch um Antworten drücken sich die Piraten bislang erfolgreich“, sagte der FDP-Politiker. Zudem zeige sich, „dass die Partei durch ihre Struktur sehr viele Extreme von links und rechts anzieht“.

Derweil gab es in der Piratenpartei Streit über ihre Regierungsfähigkeit. „Wenn keine andere Konstellation möglich ist und wir Gelegenheit erhalten, unsere Inhalte umzusetzen, sollten wir bereit sein, auch Regierungsverantwortung zu übernehmen“, sagte der Parteivorsitzende Sebastian Nerz der „Frankfurter Rundschau“ mit Blick auf die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Dagegen plädierte die politische Geschäftsführerin Marina Weisband dafür, erst einmal auf den Oppositionsbänken weitere Erfahrung zu sammeln. „Der Sprung von gar nicht im Parlament zum Regieren ist viel zu groß. Auch wir lernen noch“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. Allerdings räumte auch Nerz ein, sinnvoller sei es, sich zunächst in die Parlamentsarbeit einzugewöhnen.

Nerz wies den Vorwurf zurück, es gebe rechtsextreme Tendenzen in seiner Partei. „Wir lehnen Diskriminierung, Rassismus und Sexismus klar ab“, sagte Nerz der „Frankfurter Rundschau“. Die Partei lasse sich ohnehin nicht in das klassische Rechts-Links-Schema einordnen, sondern erhalte Zulauf aus allen politischen Richtungen.