Vertreter von SPD, Grünen und FDP nannten die Entscheidung am Osterwochenende falsch. Auch der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, wertete das Verbot als „übertrieben, ein bisschen hysterisch oder populistisch – auf jeden Fall nicht gerechtfertigt.“ Grass sei kein Antisemit, der Inhalt seines Gedichts aber lächerlich, sagte er der ARD.

Berlin. Das Einreiseverbot Israels für den Literaturnobelpreisträger Günter Grass ist sowohl in Deutschland als auch im jüdischen Staat auf Kritik gestoßen. Vertreter von SPD, Grünen und FDP nannten die Entscheidung am Osterwochenende falsch. Auch der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, wertete das Verbot als „übertrieben, ein bisschen hysterisch oder populistisch – auf jeden Fall nicht gerechtfertigt.“ Grass sei kein Antisemit, der Inhalt seines Gedichts aber lächerlich, sagte er der ARD. Unterstützung für den israelischen Schritt bekundete hingegen CDU-Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder.

„Ich glaube, das ist unangemessen und wird auch dem Thema nicht gerecht“, sagte SPD-Außenexperte Rolf Mützenich der ARD. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, bezeichnete das Verbot als „unsouverän und demokratisch nicht klug“. Während sich das Außenministerium nicht äußern wollte, bezeichnete FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr die Reaktion als „völlig überzogen“. Grass’ Gedicht, indem er Israel eine Gefahr für den Weltfrieden genannt hatte, sei jedoch von „Vorurteilen und Uneinsichtigkeit“ geprägt, sagte Bahr der Zeitung „Die Welt„ (Dienstagausgabe). Junge-Union-Chef Mißfelder wies die Kritik an israel hingegen zurück: „Israel entscheidet selber, wer willkommen ist und wer nicht.“ Das Land befinde sich in einer existenziellen Bedrohung, das erkläre die Reaktion, sagte er sagte er dem „Tagesspiegel“ laut Vorabbericht.

Die israelische Zeitung „Haaretz“ bezeichnete die Reaktion Israels in einem Kommentar hysterisch. Solche Reaktionen seien eigentlich typisch für Regime wie in Nordkorea oder eben dem Iran. Israel müsse auch provokante Äußerungen ertragen. Auch der Historiker Tom Segev sagte, der Schritt rücke Israel in die Nähe fanatischer Regime wie dem Iran. Er sprach bei „Spiegel-Online„ von einem absolut zynischen und albernen Schritt. Der Innenminister Eli Jischai versuche seine politische Zukunft zu sichern.

Jischai hatte den 84-jährigen Dichter zur unerwünschten Person erklärt, da er versuche „Hass gegen den Staat Israel und das israelische Volk zu schüren und somit Ideen zu verbreiten, die er früher mit dem Tragen der SS-Uniform offen unterstützt hat“. Grass hatte erst 2006 eingeräumt, als junger Soldat in der Waffen-SS gedient zu haben. In seinem Text hatte er Israel wegen der Drohung mit einem Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm eine Gefahr für den Weltfrieden genannt. Dies löste parteiübergreifende Kritik in Deutschland aus, woraufhin der Schriftsteller seinen Gegnern wiederum Intoleranz sowie „eine gewisse Gleichschaltung der Meinung“ vorwarf.

Bei den traditionellen Ostermärschen für den Frieden gab es auch Unterstützung für Grass. Dessen Intervention eröffne die Möglichkeit eines Ideenwettbewerb, um eine friedliche Lösung des Konflikts mit dem Iran, erklärte das Netzwerk Friedenskooperative. Nicht Grass gehöre an den Pranger gestellt, sondern die Politiker, die weiter an der Eskalationsschraube im Nahen und Mittleren Osten drehten, sagte Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag.

Grass selbst hatte nach Veröffentlichung seines Gedichts in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, er würde aus heutiger Sicht deutlicher machen, dass er sich in erster Linie gegen die derzeitige israelische Regierung Netanjahu wende. „Die kritisiere ich: Eine Politik, die gegen jede UN-Resolution den Siedlungsbau fortsetzt. Ich kritisiere eine Politik, die Israel mehr und mehr Feinde schafft und das Land mehr und mehr isoliert.“

Netanjahu gehörte zu den schärfsten Kritikern des Textes, in dem Grass Israel wegen eines drohenden Militärschlags gegen den Iran eine Gefahr für den Weltfrieden nennt. Der Ministerpräsident warf Grass vor, die Verhältnisse zu verdrehen. Nicht der jüdische Staat, sondern der Iran bedrohe mit seinem Atomprogramm den Weltfrieden. Der Iran steht im Verdacht, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms an Nuklearwaffen zu arbeiten. Die Regierung in Teheran hat dies zurückgewiesen. Zudem leugnet der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad den Holocaust und hat dazu aufgerufen, Israel von der Landkarte auszulöschen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle wies die Grass-Kritik an Israels Haltung im Atomkonflikt mit dem Iran zurück. „Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen, ist nicht geistreich, sondern absurd“, schrieb der FDP-Politiker in einem Gastbeitrag für „Bild am Sonntag“. Der Streit mit der Regierung in Teheran sei „keine Spielwiese für Polemik, Ideologie und Vorurteile, sondern bitterer Ernst“. Wer die vom Iran ausgehende Bedrohung verharmlose, „verweigert sich der Realität“.

(Reuters)