Israel drehe mit seinem Einreiseverbot für den Literaturnobelpreisträger an der “Eskalationsschraube“ im Nahen und Mittleren Osten.

Tel Aviv/Hamburg. Israels Einreiseverbot gegen Literaturnobelpreisträger Günter Grass stößt weiter auf Kritik. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, nannte die Maßnahme übertrieben und populistisch. Innenminister Eli Jischai von der strengreligiösen Schas-Partei hatte Grass am Sonntag wegen dessen israelkritischen Gedichts zur unerwünschten Person erklärt.

"Ich glaube, dass der Innenminister gar nichts von Deutschland versteht. Er betreibt Innenpolitik. Ich halte das für falsch“, erklärte Primor am Sonntagabend in den ARD-"Tagesthemen“. Für ihn sei Grass kein Antisemit. "Ich weiß, wovon ich spreche.“ Zugleich kritisierte der Diplomat aber auch Grass' umstrittenes Gedicht. Die darin geäußerte Behauptung, Israel wolle den Iran auslöschen, sei lächerlich.

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+++ Das Gedicht: "Was gesagt werden muss" +++

Auch seien die Sorgen der israelischen Regierung berechtigt, dass der Iran Atomwaffen bauen könnte, meinte Primor. Schließlich habe nicht nur der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad sondern auch der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, von der Auslöschung Israels gesprochen.

Friedensbewegung solidarisiert sich mit Grass

Auch aus der deutschen Friedensbewegung erhält Grass Rückendeckung. Nicht der Schriftsteller gehöre an den Pranger, sondern diejenigen Politiker, die weiter an der "Eskalationsschraube“ im Nahen und Mittleren Osten drehten, indem sie den Iran mit Wirtschaftssanktionen immer mehr in die Enge trieben, erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Montag in Kassel. "Die logische Folge des Sanktionsregimes aber heißt Krieg.“

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Dass Israel über 250 Atomsprengköpfe besitze, dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten sei sowie keine Kontrollen zulasse und offen das Für und Wider eines "Präventivkriegs“ gegen Iran diskutiere, "sind Tatsachen, die Günter Grass auf seine Weise ins rechte Licht gerückt hat“, erklärte er.

Israelische Zeitung druckt Grass-Karikatur

In Israel machte sich derweil ein Karikaturist über das Einreiseverbot lustig. Die Zeitung "Haaretz“ veröffentlichte die Zeichnung von Amos Biderman in der Nacht zum Montag. Sie zeigt zwei Männer, die auf einem Hausdach in Tel Aviv einen Joint rauchen. Einer von ihnen sagt mit besorgtem Gesichtsausdruck: "Der Innenminister hat die Einreise (auch: Einfuhr) von Grass nach Israel verboten.“ Darauf gerät der andere Mann ins Schwitzen. Im Vordergrund sind mehrere Marihuana-Pflanzen in Blumentöpfen zu sehen. Im Hebräischen wird Cannabis wie im Deutschen umgangssprachlich als Gras bezeichnet.

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Der Literat hatte in seinem Gedicht "Was gesagt werden muss“ angeprangert, dass der Iran von einem atomaren Präventivschlag durch Israel bedroht sei, der das iranische Volk auslöschen könne. Er warf Israel vor, als Atommacht den Weltfrieden zu gefährden. Das Gedicht hatte ihm im In- und Ausland den Vorwurf des Antisemitismus eingebracht. Grass hatte sich verteidigt und seinen Kritikern Hass und eine Kampagne gegen ihn vorgeworfen.

Mit Material von dpa und dapd