Moskau hat Druck gemacht. Geholfen hat es nicht. Viktor Bout, einst meistgesuchter Waffenhändler der Welt, muss 25 Jahre hinter US-Gitter. Sein Auftritt vor Gericht ist filmreif – wie sein Leben.

New York/Moskau. Auf dem Bild der Gerichtszeichnerin sieht Viktor Bout fast aus wie Josef Stalin. Buschiger Oberlippenbart, Hakennase, zurückgekämmte dunkle Haare – doch vor allem der grimmige Blick erinnert an den Sowjetdiktator. Dabei hat der einst meistgesuchte Waffenhändler der Welt eigentlich gewonnen, bekommt er doch vom New Yorker Gericht nur die Mindeststrafe. Das sind jedoch 25 Jahre Haft. Der Russe soll auch dafür büßen, dass er Diktatoren und Kriegsherren in Afrika mit Waffen versorgt hat.

Eigentlich hatte der als „Händler des Todes“ bekanntgewordene frühere Sowjetoffizier sich schon zur Ruhe gesetzt mit den Millionen, die er durch den Verkauf von Kalaschnikows und Panzerfäusten verdient haben soll. Aber ein Millionengeschäft mit kolumbianischen Rebellen lockte ihn doch noch einmal aus seiner Villa bei Moskau.

Doch die Rebellen sind in Wirklichkeit US-Beamte, die ihm eine Falle stellen. Weil er ihnen angeblich 700 bis 800 Raketen zum Abschuss amerikanischer Flugzeuge verkaufen will und dazu noch fünf Tonnen C4-Plastiksprengstoff, kann die Justiz zuschlagen.

Stets beteuert der 45-Jährige seine Unschuld, auch in seinem Schlusswort. Doch Richterin Shira Scheindlin wirft ihm vor, er habe sich nie von seinem schmutzigen Geschäft distanziert, das ihm auch „Blutdiamanten“ eingebracht haben soll. Hier unterscheidet sich der Bout aus dem realen Leben von Nicolas Cage, der ihn im Hollywood-Film „Lord of War“ spielte: Oscar-Gewinner Cage wurde nach seiner Rolle UN-Friedensbotschafter.

In Russland ist die Empörung über die Verurteilung des Landsmanns groß. Politischen Druck auf das Gericht beklagt das Außenministerium jenes Landes, dem selbst oft genug Beeinflussung der Justiz vorgeworfen wird. Minister Sergej Lawrow macht die Angelegenheit sofort zur Chefsache. Russland werde alles daran setzen, Bout nach Hause zu holen, kündigt er an.

Einflussreiche Außenpolitiker in Moskau drohen bereits mit negativen Auswirkungen auf das Verhältnis zu den USA – und das kurz vor der für Anfang Mai geplanten Rückkehr des gewählten Präsidenten Wladimir Putin in den Kreml. Der Ex-Geheimdienstchef stellt die USA auch 20 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs oft als „Feind Nr. 1“ dar - ganz genau so bezeichnen viele US-Republikaner Russland.

Doch Experten sind sicher, dass Russland letztlich nicht wegen Bout ein Ende des „Neustarts“ der Beziehungen mit den USA riskiert. Weder Putin noch Kremlchef Dmitri Medwedew äußern sich zunächst öffentlich. Und in der Vergangenheit hatte Präsidentenberater Sergej Prichodko erklärt, Russland sei für harte Strafen gegen illegale Waffenhändler. Denkbar sei ein ähnlicher spektakulärer Austausch wie mit der in den USA enttarnten russischen Spionin Anna Chapman, heißt es in Moskau.

Bouts Freunde haben alles probiert. Seine 17-jährige Tochter Lisa schrieb an Richterin Scheindlin: „Ich liebe Papa und Mama und will, dass unsere Familie endlich wieder zusammen ist“. Das russische Konsulat versicherte der Richterin, Bout sei nicht vorbestraft und habe sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Sein Verteidiger sagt, es sei ja nie eine Waffe übergeben worden. „Und wenn er sagt, er hasse Amerika und verkaufe gern Raketen, sind das doch nur Worte.“

Doch Bouts letzte Worte klingen bedrohlich. Unschuldig sei er und er habe nie Waffen verkauft. Dann dreht er sich um, zeigt scharf mit dem Finger auf die Agenten, die gleich vor seiner Frau sitzen, und schreit auf Russisch: „Sie kennen diese Wahrheit! Sie müssen damit leben, Ihre Familien müssen damit leben. Mag Gott Ihnen verzeihen.“ Er unterbricht den Staatsanwalt und brüllt: „Das ist eine Lüge!“ Und als er abgeführt werden soll, dreht sich der sichtlich gealterte 45-Jährige noch einmal ins Publikum und ruft: „Ich liebe Euch. Auch wenn wir untergehen – ein Krieger gibt nicht auf.“ # dpa-Notizblock ## Internet

(dpa)