Mit FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger spricht sich erstmals ein liberales Mitglied der Bundesregierung dafür aus, die koalitionsinterne Vereinbarung zur Einführung des Betreuungsgelds platzen zu lassen.

München/Bamberg/Berlin. Um das geplante Betreuungsgeld wird weiter heftig gestritten. Auch innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition werden die Stimmen der Gegner lauter. Mit FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger spricht sich erstmals ein liberales Mitglied der Bundesregierung dafür aus, die koalitionsinterne Vereinbarung zur Einführung des Betreuungsgelds platzen zu lassen. Dies berichtet das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Juristen halten das Betreuungsgeld für verfassungswidrig. Die SPD in Bayern will eine Unterschriftenaktion für mehr Kinderbetreuung starten.

Das von der CSU geforderte Instrument „passt eigentlich nicht mehr in die Zeit“, sagte die Politikerin und bayerische FDP-Landesvorsitzende dem Magazin zufolge. Leutheusser-Schnarrenberger stellt sich damit gegen eine Absprache, die die Parteichefs von CDU, CSU und FDP im Koalitionsausschuss getroffen haben. Der Plan, für den sich die CSU stark gemacht hat, ist auch innerhalb der Union mehr und mehr umstritten.

Beim Angebot von Kita-Plätzen bleibe Deutschland weit hinter Ländern wie Schweden und Frankreich zurück, sagte sie. Deswegen könne auch keine Rede davon sein, dass Eltern die Wahlfreiheit zwischen heimischer und externer Betreuung ihrer Kinder hätten. „Der Ausbau der Kinderbetreuung sollte angesichts der Unterfinanzierung Priorität haben“, so die Justizministerin.

Den Ausbau der Kinderbetreuung will auch die SPD in Bayern mit einer Massenpetition erreichen. Es gebe einen enormen Nachholbedarf bei Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren. Die Unterschriften dafür sollen laut Generalsekretärin Natascha Kohnen von Donnerstag (16. April) an gesammelt werden. Der Freistaat liege derzeit mit einer Ganztagsbetreuung von 4,9 Prozent an vorletzter Stelle, der Bundesdurchschnitt betrage 11,6 Prozent.

Das Betreuungsgeld soll ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die ihre Kinder nicht in eine öffentlich geförderte Kita bringen. Pro Monat sind für Kinder im zweiten Lebensjahr 100 Euro vorgesehen. Ab 2014 soll der Betrag auf 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr steigen.

In der Diskussion um das Betreuungsgeld sprach sich der Eichstätter katholische Bischof Gregor Maria Hanke für die geplante Zahlung an Eltern von zwei- und dreijährigen Kindern aus. Diese sei ein eine begrüßenswerte Würdigung ihrer Erziehungsleistung, erklärte Hanke am Donnerstag. Ausdrücklich sprach sich der Bischof gegen eine einseitige Förderung öffentlicher Betreuungseinrichtungen wie Kinderkrippen aus. Sie würden die verfassungsmäßig garantierte Wahlfreiheit der Eltern in der Gestaltung der Erziehung ihrer Kinder zu sehr einschränken.

Eine ARD-Umfrage ergab, dass eine Mehrheit der Deutschen das von der Bundesregierung geplante monatliche Betreuungsgeld ablehnt. 54 Prozent der Befragten sprechen sich dagegen aus. Unterstützt wird diese Idee von 42 Prozent. Das Institut Infratest dimap hatte im Auftrag der ARD 1.505 Wahlberechtigte befragt.

Verfassungsrechtliche Probleme sehen Juristen bei der Einführung des Betreuungsgeldes. Der Staat verstieße damit gegen das Gebot, alle Familien gleich zu behandeln, sowie gegen das Gebot, die Gleichberechtigung zu fördern. „Käme das Betreuungsgeld wie derzeit geplant, verstieße das in doppelter Hinsicht gegen das Grundgesetz“, sagte Joachim Wieland, Verfassungsrechtler an der Verwaltungshochschule Speyer, der „Financial Times Deutschland“ (Donnerstagsausgabe).

Auch die Verfassungsrechtlerin Margarete Schuler-Harms von der Bundeswehruniversität in Hamburg bezweifelt, dass man die Auszahlung des Betreuungsgeldes allein davon abhängig machen kann, ob Eltern ihre Kinder in eine Kindertagesstätte geben oder nicht. „Wenn man eine Gruppe bevorzugt behandelt, muss es einen sachlichen Grund dafür geben“, sagte sie der Zeitung. Anders als von den Befürwortern dargestellt, hätten Eltern, die Kinder zu Hause betreuen, keinen Nachteil.