Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sang der Liedermacher Franz Josef Degenhardt in den sechziger Jahren. Die deutsche Politik hat neue Schmuddelkinder gefunden: die Piraten. Im Landtag herrscht plötzlich Einigkeit – jedenfalls in der Ablehnung der neuen Partei.

München. Der bundesweite Aufschwung der Piraten führt in der bayerischen Landespolitik zu großer Eintracht: Keine der im Münchner Landtag etablierten fünf Parteien mag die Piraten – und alle müssen sie fürchten. Denn deren Auftauchen bringt die bisherige politische Arithmetik durcheinander. Gefährdet ist vor allem das Oppositionsprojekt eines Dreierbündnisses gegen die CSU. Selten stimmten CSU, SPD, Freie Wähler, Grüne und FDP so überein wie in ihrer Einschätzung der Piraten: Die Partei vertrete entweder keine, unklare oder abstruse Positionen, wird allgemein kritisiert. Es ist die ganz große Koalition der Anti-Piraten.

Viele etablierte Politiker halten die Piraten für eine Protestbewegung, die schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird, wenn sie mit den Realitäten konfrontiert wird. Aber niemand kann es sich erlauben, das Phänomen zu ignorieren. In der letzten bundesweiten Umfrage lagen sie bei 12 Prozent.

„Ich würde es für falsch halten, die Piraten nicht ernst zu nehmen“, sagt CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid. „Viele Bürger sind sich gar nicht im Klaren, auf was sie sich da einlassen würden.“ Schmid verweist auf Piraten-Forderungen nach kostenlosem Grundeinkommen, kostenlosem Nahverkehr, kostenloser Bildung. „Da muss man fragen, wer das alles bezahlen soll“, sagt Schmid. „Die Piraten haben eine Programmatik, die das Land kaputt machen und den Wohlstand zerstören würde.“

Der Grünen-Landesvorsitzende Dieter Janecek zählt nicht zu den intimsten politischen Freunden des CSU-Fraktionschefs – doch in Sachen Piraten stimmen beide in schöner Harmonie überein: „Die Welt der Piraten ist sehr einfach“, sagt Janecek. „Ich wüsste eigentlich gar nichts, was bei den Piraten überhaupt etwas kosten soll – und gleichzeitig sind sie gegen Schulden. Das passt nicht zusammen.“ Die Piraten drückten sich seit ihrer Gründung um klare Positionen. „Wir müssen sie zur inhaltlichen Auseinandersetzung zwingen.“ Janecek sagt, dass die Mitglieder der Piraten ein weites Spektrum „von ganz links bis ganz rechts“ abdeckten – und deswegen alle Parteien gleichermaßen von Wählerabwanderung betroffen seien.

Die Piraten selbst haben gemerkt, dass sie zu vielen Themen entweder nichts oder wenig zu sagen haben – und räumen das sogar offen ein. Allein die bayerischen Piraten halten in diesem Jahr drei Parteitage ab, um das inhaltliche Vakuum zu füllen.

Momentan seien die Piraten als Protestpartei sehr populär, sagt auch SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. „Die müssten, wenn sie können, eine Stammwählerschaft aufbauen. Dazu müssten sie aber viel deutlicher Stellung beziehen und viel tiefer in die Themen eintauchen.“ Kohnen nennt Sozial-, Wirtschafts- und Bildungspolitik als Beispiele. „Da gibt’s keine klaren Positionen.“

Schlecht zu sprechen auf die Piraten ist auch Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Denn sollten die Piraten im Herbst 2013 mit mehr als fünf Prozent in den Landtag einziehen, würde das sehr wahrscheinlich bedeuten, dass diese Stimmen einem Oppositionsbündnis von SPD, Freien Wählern und Grünen zu ihrer Mehrheit fehlen. In der jüngsten Bayern-Umfrage war die CSU mit 46 Prozent nah an der absoluten Mehrheit der Sitze im Maximilianeum. Das potenzielle Dreierbündnis war laut Umfrage mit 41 Prozent weit von einer Mehrheit entfernt, die Piraten lagen bei fünf Prozent. „Die Piraten nutzen in erster Linie der CSU“, sagt Aiwanger.

Die FDP hat nach eigenem Bekunden keine besondere Angst vor Wählerverlusten an die Piraten – die Liberalen haben derzeit eher Sorgen mit dem Wählerschwund in jede Richtung. „Nach den Analysen der letzten Landtagswahlen hat die FDP den kleinsten Anteil an die Piraten verloren“, sagt Fraktionschef Thomas Hacker. Aber auch die FDP hält ganz klar Distanz zu den unerwünschten Neuankömmlingen: „Die Piraten haben keine politischen Grundüberzeugungen“, sagt Hacker.

(dpa)