Gesetzliche Krankenkassen haben Finanzreserven in Höhe von 19,5 Millarden Euro. Unerwartet bescherte ein starker Privatkonsum und der Export der deutschen Wirtschaft zwei Boomjahre.

Berlin. Wer kriegt die Milliarden der gesetzlichen Krankenkassen? Das Gesundheitsministerium gab am Mittwoch in Berlin bekannt, dass die Kassen im vergangenen Jahr einen Überschuss von vier Milliarden Euro erzielt hätten und nahm dies gleich zum Anlass, erneut auf Beitragsrückerstattungen zu dringen. Der GKV-Spitzenverband reagierte prompt und warnte davor, jetzt "das Minus von morgen“ zu organisieren.

Durch den Überschuss verfügen die Krankenkassen den Angaben zufolge jetzt über ein Finanzpolster von rund zehn Milliarden Euro. Rund 9,5 Milliarden Euro sind zudem im Gesundheitsfonds aufgelaufen. 2011 standen bei den Kassen Einnahmen in Höhe von rund 183,6 Milliarden Euro Ausgaben in Höhe von etwa 179,6 Milliarden Euro gegenüber. Zum Vergleich: Das Volumen des Bundeshaushalts liegt 2012 bei 306,2 Milliarden Euro.

GKV warnt vor Einnahmekürzungen

Trotz des Milliardenpolsters warnte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor Einnahmekürzungen bei den Kassen. "Wer nur auf die Zahlen des vergangenen Jahres schaut und auf dieser Grundlage die künftigen Einnahmen kürzt, organisiert das Minus von morgen“, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Johann-Magnus von Stackelberg.

Jetzt, wo die finanzielle Situation stabil sei, müssten die Rücklagen für schlechte Zeiten aufgebaut und gesichert werden, forderte er. "Ich habe großes Verständnis für die Krankenkassen, die auf langfristige Stabilität setzen, statt kurzfristig Prämien auszuschütten“, sagte er.

Steuerzahlerbund will Beitragskürzung

Davon unbeeindruckt forderte der Bund der Steuerzahler eine grundsätzliche Änderung der Beitragserhebung zugunsten der Beitragszahler. "Die Bundesregierung sollte nicht nur den Beitrag zur Krankenversicherung senken, sondern auch – ähnlich wie in der Rentenversicherung – einen Automatismus für Beitragssenkungen bei Überschüssen gesetzlich verankern“, sagte Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke.

CDU-Gesundheitssprecher Jens Spahn hielt dagegen: „Pauschale Beitragssenkungen wirken nur kurzfristig und verhindern einen Wettbewerb zwischen den Kassen.“ Sie sollten eher Prämien ausschütten, schließlich seien Krankenkassen keine Sparkassen.

Auch die Linke sieht Beitragssenkungen kritisch. Davon würden vor allem die Besserverdiener profitieren, sagte Fraktionschef Gregor Gysi. Stattdessen sollte das Geld genutzt werden, um die Praxisgebühr und die Zusatzzahlung zu Medikamenten abzuschaffen.

Kassenvereinigung fordert Abschaffung der Praxisgebühr

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) will die Praxisgebühr abschaffen. Sie unterstützt damit einen entsprechenden Vorstoß von Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP). "Die Praxisgebühr hat als Steuerungsinstrument versagt und verursacht zu allem Überfluss einen enormen Verwaltungsaufwand in den Praxen“, sagte KVSH-Vorstandsvorsitzende Ingeborg Kreuz.

Statt der Praxisgebühr müsse es eine "sozial ausgewogene Eigenbeteiligung der Versicherten“ geben, sagte Kreuz. Diese müsse unbürokratisch und bargeldlos sein. Auch die Linke im Bundestag fordert ein Ende der Praxisgebühr. (dpa/dapd)

+++ Krankenkassen mit höherem Milliardenüberschuss als gedacht +++

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