Laut der Studie lehnt jeder vierte nichtdeutsche Muslim Integration ab, ist tendenziell gewaltbereit und stellt westliche Werte in Frage.

Berlin/Osnabrück. Eine neue Studie über junge Muslime in Deutschland sorgt bereits vor ihrer Veröffentlichung für Diskussion. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist besorgt über die Ergebnisse der Integrations-Studie seines Ministeriums. Laut der Untersuchung lehnt jeder vierte nichtdeutsche Muslim Integration ab, ist tendenziell gewaltbereit und stellt westliche Werte in Frage. Friedrich sagte dazu der „Bild“-Zeitung (Donnerstag): „Deutschland achtet die Herkunft und kulturelle Identität seiner Zuwanderer. Aber wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten. Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben - dies klarzumachen, ist die Aufgabe eines jeden.“

+++Studie: Der Islam ist der Glaube der anderen+++

Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans Peter Uhl (CSU), warnte vor einem wachsenden Fanatismus junger Muslime in Deutschland. Mit Blick auf die Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ sagte Uhl der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag): „Diese Integrationsverweigerung muss nicht, aber kann den Nährboden für religiösen Fanatismus und Terrorismus darstellen.“ Die hohe Zahl nicht integrierter und auch nicht integrationswilliger Muslime sei „erschreckend“.

Allerdings gaben fast alle Probanden an, sich als Muslime von der westlichen Gesellschaft diskriminiert zu fühlen. Die deutsche Gesellschaft beschreiben sie als distanziert-abweisend. Auch in Medienberichten fühlten sie sich durchweg negativ dargestellt. Die Berichterstattung empfanden sie weniger als informativ und sachlich aufklärend, sondern eher als manipulativ und emotionsschürend.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, kontert die Kritik von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Integrationswillen junger Muslime. Friedrich selbst zeige keine Integrationsbereitschaft, sagte Beck am Donnerstag. Hintergrund ist die Veröffentlichung einer Studie im Auftrag des Innenministeriums, nach der ein Viertel aller jungen, ausländischen Muslime in Deutschland gewaltbereit und nicht integrationswillig seien. Becks Fraktionskollege Memet Kilic ergänzte, nicht Religion oder Einwanderungsgeschichte seien die entscheidende Ursache für Jugendgewalt, sondern Chancen- und Perspektivlosigkeit.

Nach Angaben aus dem Ministerium geht aus der Studie hervor, dass ein Viertel der nichtdeutschen Muslime zwischen 14 und 32 Jahren eine Integration in die deutsche Gesellschaft ablehnt und „tendenziell gewaltbereit“ ist. Uhl forderte daher Integrationsnachweise. „Dazu gehören ausreichende Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse über unseren Staat und seine Geschichte“, sagte er. Eine Abfrage solcher Kenntnisse bei nachziehenden Ehegatten oder auch Einbürgerungswilligen sei „zwingend beizubehalten“.

Kritik an der Studie kam aus der FDP. „Ich muss mich schon wundern, dass das BMI erneut Steuergelder darauf verwendet, eine Studie zu finanzieren, die Schlagzeilen produziert, aber keinerlei Erkenntnisse“, sagte der integrationspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Serkan Tören, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Das religiöse Bekenntnis vieler junger Muslime sei oft nur „eine leere Hülse“, die nicht mit gelebter Religion einhergehe, sondern „Provokation und kulturelle Abgrenzung“ sein wolle. „Religiosität und Gewalt sind kein Automatismus, das beweisen andere Studien und meine persönliche Erfahrung“, sagte der türkischstämmige Politiker. „Vielmehr haben wir es bei jungen Gewalttätern mit sozialen Fragen zu tun und nicht mit religiösen.“

Der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Stephan Mayer, erklärte: „Die Ergebnisse der Studie des Bundesministeriums des Innern sind äußerst beunruhigend: Noch immer gibt es starken Widerstand bei vielen Muslimen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands anzuerkennen. Stattdessen werden weiterhin autoritäre und hierarchische Strukturen bevorzugt. Hierfür gibt es keine Rechtfertigung". Auch die hohe Gewaltbereitschaft gebe Anlass zur Sorge. Mayer: "In einem friedlichen und freiheitlichen Land wie Deutschland ist für religiösen Fanatismus kein Platz. Von besonderer Bedeutung ist es daher, dass sich endlich alle muslimischen Interessenvertretungen in Deutschland für die Integration und ein friedliches Miteinander ussprechen und sich von religiös-fanatischen Ansätzen deutlich distanzieren. Schließlich sind sie ein wichtiger Faktor bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.“

Der Jenaer Psychologe Wolfgang Frindte, der maßgeblich an der Untersuchung war, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Zahlen seien für ihn nicht überraschend. Würden auch die Eltern- und Großelterngenerationen einbezogen, zeige sich, dass der Anteil radikaler Einstellungen sinke und sich die Muslime deutlich vom islamistischen Terrorismus distanzierten.

Die Autoren der Studie sehen Religion oder Identifikation mit einer nichtdeutschen Kultur aber nicht als integrationshemmend an. Muslime radikalisierten sich eher, wenn sie den Bezug zu ihrer Herkunftskultur verlören, aber nicht von der neuen Gesellschaft aufgenommen würden. Die Wissenschaftler rieten dazu, weniger restriktive Maßnahmen wie „Kopftuchverbote“ anzugehen.

Zum Islam bekennen sich in Deutschland nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge schätzungsweise vier Millionen Menschen. Knapp die Hälfte von ihnen hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Für die Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ wurden 700 junge deutsche und nichtdeutsche Muslime telefonisch befragt. Zudem wurden 692 Fernsehbeiträge aus Nachrichtensendungen analysiert.

Mit Material von kna, dapd und dpa